“Don’t it always seem to go, that you don’t’ know what you’ve got till its gone? They paved Paradise and put up a parking lot.”
Joni Mitchell – Big Yellow Taxi (1970)
Es ist ein topaktuelles Thema, aber bei weitem nicht neu: Schon Bob Dylan thematisierte 1962 in seinem Song „A Hard Rain‘s A-Gonna Fall“ Umweltschutz und Ressourcenverschwendung, genauso wie Joni Mitchels 1970 im eingangs zitierten „Big Yellow Taxi – die Liste lässt sich endlos weiterführen. Auch 50 Jahre später ist Nachhaltigkeit mit dem fortschreitenden Klimawandel ein prägendes und drängendes Thema. Hier ergeben sich auch für Freiwilligenagenturen verschiedenste Handlungsmöglichkeiten und -Rollen.
Wie diese aussehen können und was das Thema Nachhaltigkeit in seiner ganze Breite ausmacht diskutierten am 26. Februar knapp 50 Kolleg:innen beim bagfa-Arbeitsforum „Nachhaltigkeit – ein weites Feld für Freiwilligenagenturen“. So wurde auf große gesellschaftliche Zusammenhänge, auf Handlungsmöglichkeiten und Praxisbeispiele aus den Freiwilligenagenturen geschaut. Nicht zuletzt gab es Grund zu feiern: Mit der Themenwelt Nachhaltigkeit, die während des Arbeitsforums feierlich online gestellt wurde, wird eine Sammlung mit konkreten Informationen, Hintergründen und Beispielen für die eigene Nachhaltigkeitspraxis geboten.
Nachhaltigkeit als Handlungsfeld für Freiwilligenagenturen – Ein Impuls von Svenja Quitsch und Dr. Thomas Leppert.
Aber was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Und warum sollten wir uns, neben vielen weiteren wichtigen Themen, genau damit beschäftigen? Auf diese Fragen gingen Svenja Quitsch und Thomas Leppert vom Heldenrat ein. Die Antwort lässt sich simpel zusammenfassen: „It’s gettinig hot in here…“
Der menschengemachte Klimawandel erzeuge konkreten Handlungsdruck, betonte Svenja Quitsch. Wer an morgen denkt, könne sich nicht leisten, Themen der Nachhaltigkeit zu verschieben. Ein ständiges höher, weiter, schneller führe zu einer rasanten und ausbeuterischen Nutzung vorhandener Ressourcen, die knapp werden. Laut Quitsch sollte das Ziel, eine lebenswerte Erde für uns und die nachfolgenden Generationen zu erhalten, hohe Priorität haben. Der gut erforschte und wissenschaftlich belegte Klimawandel bringe einen Vorteil mit sich: Wir wissen, wie und wo unser Handeln ansetzen kann und sollte.
Ökologische Themen seien dabei nur eine Seite der Medaille. Das reichste Prozent der Erde verursacht mehr als die Hälfte der kompletten Treibhaus-Emissionen. Soziale Fragen nach Teilhabe, Bildungschancen und Armutsbekämpfung sind laut den Referent:innen in einem breiten Verständnis von Nachhaltigkeit inbegriffen. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN böten daher einen guten Anknüpfungspunkt für eine ganzheitliche und umfangreiche Betrachtung des Zusammenhangs. Und genau hier könne auch die Arbeit einer Freiwilligenagentur ansetzen. Die beiden Impulsgebenden zeigten auf, wie Agenturen eine direkte und indirekte gesellschaftlich Wirkung entfalten, aber auch durch eigene Maßnahmen „nach innen“ einen Beitrag für Nachhaltigkeit leisten können.
Die Präsentation von Svenja Quitsch und Thomas Leppert ist hier zum Download verfügbar.
Im Gespräch mit Kolleg:innen: Die Nachhaltigkeitspraxis von Freiwilligenagenturen
Gleich drei Kolleg:innen zeigten im Anschluss an den Impuls auf, wie Freiwilligenagenturen das Thema Nachhaltigkeit in der Praxis umsetzen. Deutlich wurden hier ganz unterschiedliche Herangehensweisen.
Sulamith Fenkl-Ebert aus der Freiwilligenagentur Halle-Saalekreis e.V. berichtete, dass die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen durch einen Leitbildprozess vor 10 Jahren ausgelöst wurde, der sich allen Strukturebenen der Freiwilligenagentur widmete. Kontinuierlich wurde seitdem immer wieder geklärt, was Nachhaltigkeit bedeutet und wie sich diese in Projekten, aber auch in Arbeitsbedingungen und Beteiligungs- sowie Demokratieprozessen, niederschlagen kann. Sie zeigte hierbei auch beispielhaft den Weg der Nachhaltigkeitsstrategie auf: Interne Evaluationsprozesse führten dazu, dass die Nachhaltigskeitsstrategie der Freiwilligenagentur an die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN gekoppelt wurden. Darüber hinaus zeigt sich das Thema Nachhaltigkeit in der Plattform „Klimaengagiert“ oder in einem Projekt zum Lernen durch Engagement nieder.
Schon aufgrund der Struktur spiele Nachhaltigkeit in der eigenen Arbeit eine große Rolle, so Anne Büttner von der Freiwilligenagentur „Ehrensache“ in der Nordseestadt Varel. Die Agentur ist hier aus einer lokalen Agenda hervorgegangen. Die „Agenda Varel“ unterstützt lokale Initiativen und Vereine in der Umsetzung von (nachhaltigen) Projektideen. Um auch Interessierte, die noch nicht in festen Strukturen engagiert sind, zu vermitteln, wurde zusätzlich die Freiwilligenagentur ins Leben gerufen. Durch diesen Zweiklang spielen Nachhaltigkeits- und Umweltschutzthemen in Varel eine große Rolle, wie Anne Büttner berichtet. Die Agenda und die Freiwilligenagenturen zeigen dabei auch die Vielfältigkeit von Nachhaltigkeitsthemen in den verschiedenen Engagementformen auf.
Bäume sind für eine klimaresiliente Stadt enorm wichtig, bekommen aber durch zunehmende Trockenheit meist zu wenig Wasser. Diesem Problem hat sich das Projekt Gießkannenheld:innen der Essener Ehrenamt Agentur angenommen, von dem Vincent Demond berichtete. Die Idee ist simpel: Wasserspeicher, verteilt in der ganzen Stadt, fangen Regenwasser auf. Diese Speicher stehen meist auf Privatgeländen, aber auch auf öffentlichen Grundstücken, etwa bei Schulen und Unternehmen. Freiwillige übernehmen Verantwortung für einen Baum und gießen diesen. Laut Demond sind die Gießkannenheld:innen hierbei das Ergebnis einer tiefen Vernetzung von Nachhaltigkeitsakteuren in Essen.
Versucht werde hier auch Menschen zusammenzubringen, die sich sonst nicht unbedingt austauschen würden. Durch den Veranstaltungsort der Begleitveranstaltungen, der gleichzeitig auch das Ersatztteillager für die Ausrüstung zum Gießen ist, sorge das Projekt Gießkannenheld:innen auch für soziale Durchmischung, biete einen Austauschort und schaffe es, dass Begegnung zwischen Aktiven unterschiedlicher sozialer Herkunft stattfindet, wie Vincent Demond berichtete.
Zum Abschluss verabschiedete sich die Talkrunde mit einem Rat an die teilnehmenden Kolleg:innen: „Einfach mal anfangen, ausprobieren und dranbleiben!“
Eine Weltpremiere: Die bagfa Themenwelt „Nachhaltigkeit“ geht online!
Nach einer kurzen Pause war es endlich so weit: Die Themenwelt Nachhaltigkeit ging online und ergänzt nun den Wissenspool der bagfa um einen weiteren Schwerpunkt. Svenja Quitsch erarbeitete die Themenwelt und führte die Teilnehmenden in drei Schritten durch den Wissenspool.
Das erste Kapitel („Allgemeine Einführung“) soll grundlegendes Wissen und Hintergründe vermitteln. Handlungsfähigkeit ist das Ziel der weitreichenden Beispielsammlung, die sich in Kapitel zwei „Nachhaltigkeit in der Praxis“ finden. Eine Checkliste und ein Impuls zur strategischen Verankerung von Nachhaltigkeit runden als Kapitel 3 die Themenwelt ab. Ein Glossar dient außerdem als Nachschlagewerk für themenbezogene Begriffe.
Die Themenwelt Nachhaltigkeit wird kontinuierlich weiterentwickelt und vervollständigt. Hierfür wurde von den Teilnehmenden in einer Gruppenarbeit wertvolles Feedback zu Leerstellen, Irritationen und Einprägsames gesammelt.
Die Themenwelt Nachhaltigkeit ist hier im bagfa-Wissenspool zu finden.
Kein Arbeitsforum ohne regen Austausch
Nach diesen Inputs von Theorie bis Praxis waren die Teilnehmenden an der Reihe. In Kleingruppen wurden Ideen zum Thema Nachhaltigkeit, bestehende Projekte und weitere Beispiele gesucht und diskutiert.
Die Ergebnisse aus der Gruppenarbeit sind hier als PDF zum Download zusammengefasst.
Ein Blick auf das gefüllte Padlet zeigt, dass Freiwilligenagenturen und ihre Netzwerke jede Menge Ideen und Beispiele für das Handlungsfeld Nachhaltigkeit parat haben. Da geht es etwa um ökologische und inklusive Handlungskonzepte von Kooperationspartner:innen oder einen kollektiven Frühjahrsputz in Hamburg, der zum Mitmachen anregt
Ausblick: Wie geht es weiter?
Zum Schluss bleibt zu sagen: Je nach Ort und lokalen Begebenheiten sind die Möglichkeiten im Themenbereich Nachhaltigkeit stark unterschiedlich. Dennoch zeigt sich, laut Svenja Quitsch in einem abschließenden Statement, dass Menschen auch mit knappen Ressourcen sehr kreativ werden können. So sei also möglich, auch mit begrenzten Ressourcen effektive Projekte zu starten, den Alltag zu verändern und so Nachhaltigkeitsziele in den Blick zu nehmen.
Wie geht’s nun weiter im Bereich Nachhaltigkeit? Wie lässt sich z.B. Klimaschutz in einer Freiwilligenagentur umsetzen? Wie bereits im Arbeitsforum erwähnt, kooperieren wir gemeinsam mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement im Projekt Engagiert für Klimaschutz.
Und nun ein Save the Date: Wir laden alle Freiwilligenagenturen herzlich ein, bei einer Fachwerkstatt „Infrastruktureinrichtungen und Klimaschutz“ am 12. und 13. September dabei zu sein. Gemeinsam tauschen wir uns hier über Handlungsfelder im Klimaschutz in Freiwilligenagenturen aus. Herzlich eingeladen sind sowohl Agenturen, die bereits aktiv sind, als auch neugierige Starter:innen in dem Feld, die ins Handeln kommen wollen.
Hierzu noch ein Aufruf in eigener Sache: Gesucht wird eine gastgebende Freiwilligenagentur, die gemeinsam mit dem BBE und der bagfa die Fachwerkstatt vor Ort unterstützt und umsetzt. Neulinge im Bereich Klimaschutz sind herzlich dazu aufgerufen, die Fachwerkstatt auszurichten. Wir und die schon aktiven Agenturen unterstützen tatkräftig dabei!
Wir übernehmen die Fahrt- und Übernachtungskosten für alle Teilnehmenden (nach Bundesreisekostengesetz). Anfallende Veranstaltungskosten werden übernommen, die Größe der einladenden Agentur spielt also keine Rolle. Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 30 Plätze beschränkt.
Mehr Informationen über das Projekt und die Idee der Fachwerkstätten bietet die Website des BBE: https://www.b-b-e.de/projekte/engagiert-fuer-klimaschutz/
Sie haben Interesse die Fachwerkstatt zu Infrastruktureinrichtungen und Klimaschutz gemeinsam mit dem BBE und der bagfa vor Ort umzusetzen? Melden Sie sich gern unter bagfa@bagfa.de oder Dominik Schlotter vom BEE bei Interesse oder weiteren Fragen.