31.07.2024

Ein Ort zum Gestalten und Anpacken – ein Nachmittag in der Freiwilligenagentur Cottbus 

Die Tour geht weiter, diesmal ist die Lausitz das Ziel – genauer gesagt Cottbus. Der Besuch führte die bagfa allerdings nicht in die Fußgängerzone, sondern in den Süden der Stadt. Im Stadtteil Sachsendorf befindet sich das Soziokulturelle Zentrum, in dem auch die Freiwilligenagentur Cottbus sitzt.

Das haupt- und ehrenamtliche Team um die Freiwilligenagentur Cottbus mit den Kolleg:innen aus der bagfa

Der Stadtteil ist ein Ort, in dem der Strukturwandel sichtbar wird. Zu DDR-Zeiten wurde hier eine großflächige Siedlung für die Arbeiter:innen der naheliegenden Kohleindustrie geschaffen. Nach der Wende und einer Phase der Deindustrialisierung veränderte sich Sachsendorf: Viele Menschen verließen Cottbus und Leerstand prägte das Viertel. Mit einer Strukturförderung konnten wichtige Institutionen vor Ort geschaffen werden, etwa das besagte Soziokulturelle Zentrum.  

Schnell wird klar: Die Freiwilligenagentur Cottbus, die sich in Trägerschaft des Paritätischen Landesverband Brandenburg e.V. befindet, ist eng mit dem Zentrum verknüpft. Im Foyer findet sich eine Ausstellung zu Engagement und eine Regenbogenflagge ziert den hellen Raum. Auch im Gespräch mit den Mitarbeiter:innen der Agentur wird dies deutlich. Die Freiwilligenagentur nutzt die Räumlichkeiten für Veranstaltungen und ist in die Netzwerke des Zentrums eingebunden. Diese Synthese bietet viel Potenzial, eigene Projekte und Vorhaben anzugehen und auch über die Pilotphase hinaus an den Ort zu binden.

Ein Ort für Freiwillige – mit Freiwilligen

Doch nochmal zurück zum Anfang: Denn die bagfa erwartete in der Freiwilligenagentur ein großer Empfang. Nicht nur Mitarbeiter:innen der Agentur waren bei dem Besuch dabei, auch verschiedene Freiwillige, Kolleg:innen aus dem Zentrum und Mitstreiter:innen der Agentur. Schon nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurde deutlich: Die Engagierten finden in der Cottbusser Agentur nicht nur das passende Engagement, sie werden auch eingeladen und ermutigt selbst zu gestalten und die Aktivitäten der Freiwilligenagentur zu unterstützen.  

Ein Beispiel hierfür ist der Lesefuchs Cottbus. Bei dem Besuch schilderten zwei Aktive, Karola Morys und Katrin Schütz, die Geschichte des Projekts: Gestartet als Vorleseprojekt der Freiwilligenagentur selbst, im Verlauf des Projektes wurden die Engagierten des Lesefuchs dazu ermutigt, selbst einen Verein zu gründen und eigene Strukturen zu schaffen. Dies geschah dann auch 2015 – trotzdem sind die Engagierten des Lesefuchs noch mit der Freiwilligenagentur verbunden und finden hier Rat und Unterstützung.  

Diese Dynamik zeigt sich bei verschiedenen Angeboten und Projekten, die durch die Agentur initiiert wurden und weiterhin durch Engagement aktiv sind: Darunter die Seniorentrainer:innen oder die Sprechcafés an verschiedenen Orten von Cottbus. 

An diesen Beispielen lässt sich viel über die Freiwilligenagentur Cottbus ablesen: Nicht nur ist die Palette an Aktivitäten und Angeboten der Agentur lang, was sich auch an einer prall gefüllten Pinnwand mit Plakaten zeigt. Die Kolleg:innen in Cottbus begreifen ihre Aufgabe vielmehr darin, Projekte zu initiieren, mit Erfahrung zu unterstützen und anschließend an Engagierte oder neue Träger zu übergeben. Ramona Franze-Hartmann, die Leitung der Agentur, nennt diesen Vorgang: „Beraten, Begleiten, Loslassen.“ Hierdurch ergeben sich, trotz geringer Ressourcen, viele Gestaltungsspielräume und eine hohe Vernetzung in der Stadt. Die „losgelassenen“ Projekte der Agentur bleiben im engen Austausch mit der Agentur, nutzen die Infrastruktur und suchen Rat bei den Kolleg:innen.  

Eine Pinnwand voller Plakate in der Freiwilligenagentur Cottbus
Ein Blick auf die Veranstaltungsplakate

Vom Süden in die gesamte Stadt hinein 

Trotz der südlich gelegenen Lage wirkt die Agentur in die gesamte Stadt hinein – auch hier zeigen sich innovative Ideen und eine gute Vernetzung in der Stadt. Mehrfach gewannen die Cottbusser Kolleg:innen Preise der bagfa. Von dem Preisgeld des Innovationspreises wurde eine Bank-Husse angeschafft. Sie wird über Parkbänke in der Stadt geworfen und lädt zum Gespräch über Engagement und Einsatzmöglichkeiten ein.  

Die Palette an Themenbereichen und Projekten ist groß: Unternehmensengagement, Marktplatz der guten Geschäfte oder Projekte mit der naheliegenden Universität gehörten zum Portfolio der Agentur. Ein klarer Schwerpunkt der Freiwilligenagentur sind Projekte und Angebote zur Unterstützung von Senior:innen – was auch mit Förderungen zusammenhängt. So wurde durch ein Landesprogramm das Projekt „Pflege vor Ort – Freude bei Sport, Bewegung und Begegnung“ gestartet, in dem ältere Menschen mit Freiwilligen und Akteuren vor Ort zu Bewegungsangeboten eingeladen werden.  

Der Blick geht in die Zukunft  

Doch die Freiwilligenagentur besitzt auch den Willen, sich weiterzuentwickeln. Das bunt gemischte Team entwickelt derzeit Strategien, um auch andere Zielgruppen zu erreichen. Zwei neue Kolleginnen, Sophie Oberschmidt und Sofia Westholt bringen hierbei ihre Erfahrungen aus dem Studium ein. Neben älteren Menschen sollen in Zukunft auch junge Engagierte angesprochen werden und neue Themen gesetzt werden. Beispielsweise ist ein Instagram-Kanal in Planung. Insgesamt soll ein verstärkter Fokus auf die Öffentlichkeitsarbeit gelegt werden.  

Der Blick in die Zukunft ist allerdings nicht nur geprägt von Ambitionen und Ideen. Die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und die Bedrohung durch rechtspopulistische und -extreme Akteure schürt auch Ängste bei den Gastgeber:innen. Die Freiwilligenagentur hat sich seit der Gründung 2001 ein gutes Standing in der Stadt erarbeitet – welches sich durch neue Mehrheitsverhältnisse verschlechtern könnte. Es bleibt unklar, wie es nach den Wahlen weitergehen kann. Die Gefahren, etwa durch Unterwanderungen von Vereinen, wird ernst genommen, trotzdem möchte man laut bleiben und gemeinsam in Netzwerken eine klare Haltung vertreten. Ein wichtiges Credo der Kolleg:innen ist auch: Man muss mit den einzelnen Menschen im Gespräch bleiben, die wenigen Momente des Austauschs nutzen und sich Zeit nehmen.  

Zurück nach Berlin – ein Moment der Reflexion  

Zurück ging es wieder durch den Spreewald und die Brandenburgische Landschaft. Was bleibt von den eindrucksreichen Besuch hängen: Zum einen Innovation, Freiwillige mit Herzblut, die ermutigt werden Verantwortung zu übernehmen und jede Menge Offenherzigkeit des Cottbusser Teams und seinen Mitstreiter:innen.

Die Freiwilligenagentur Cottbus im Überblick:  

  • Gründungsjahr: 2001 (15. November würde die Tür zur FWA geöffnet 😊) 
  • Bagfa-Mitglied seit: 2003 
  • Das bedeutet Engagement für euch: Durch Engagement entsteht Zusammenhalt, daraus entwickelt sich Gemeinschaft. Menschen, die sich zuvor noch nie begegnet sind, machen etwas zusammen.  
  • Das zeichnet eure Freiwilligenagentur aus: Das es uns gelungen ist und weiterhin gelingt Engagementideen umzusetzen. Vier ausgewählte Beispiele: Von 2008 bis 2018 haben wir den Marktplatz „Gute Geschäfte Cottbus“ durchgeführt, seit 2019 Jahren gibt es das „SprechCafe“ im Soziokulturellen Zentrum, aus der Vorleseinitiative, begleitet durch uns gründete sich 2013 der Lesefuchs e.V., den es bis heute gibt und dass wir Gründungsagentur der Lagfa Brandenburg 2007 sind und bis heute in Sprecherfunktion . 
  • In dieses Engagementfeld vermittelt ihr besonders: Gern da, wo Engagement bedingungsvoller ist, z.B. Telefonseelsorge, Hospizdienst, Lernpatenschaften 
  • Auf welches eurer Projekte seid ihr besonders stolz: auf alle 😊 
  • Euer einprägsamster Lernmoment: „Einfach mal ausprobieren“- im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit haben 2006 Ehrenamtliche unter dem Motto „Seitensprung leicht gemacht“ einen Film hergestellt.  Heute schaut sich den Film keiner mehr an. 2006 haben wir dafür ein Preisgeld von der Stadt Cottbus bekommen. Alles zu seiner Zeit.  
  • Eure (Glück-)Wünsche für die bagfa: Bleibt weiterhin mit euren Mitgliedern fachlich und freundschaftlich verbunden wie bisher.