24.06.2021

Tobias Kemnitzer zu Gast im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Bundestags

Der Geschäftsführer der bagfa würdigt Engagementpolitik des Bundes kritisch und denkt voraus

„Die Zeit ist reif für einen ordentlichen Ausschuss“: Dieses Statement von Alexander Hoffmann (CDU/CSU), Vorsitzender des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“, war konsensfähig. Bei der in dieser Legislaturperiode letzten Sitzung des Gremiums am 22. Juni 2021, das ein Unterausschuss des Familienausschusses darstellt, stimmten dem nicht nur die Mitglieder des Unterausschusses zu, sondern auch die Sachverständigen, darunter Tobias Kemnitzer.

Der Geschäftsführer der bagfa e.V. fand neben lobenden Worte aber auch einige kritische Bemerkungen und formulierte bleibende Forderungen, galt es doch, die Arbeit des Unterausschusses und der Koalition insgesamt zu bilanzieren und die nächste Wahlperiode und Regierung einzustimmen.

Ein Thema dabei: die „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ (DSEE). Zunächst lobte Stefan Zierke, Parlamentarischer Staatssekretär des BMFSFJbei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass es gelungen sei, sie einzurichten. „Die Gründung der Stiftung ist ein Meilenstein in der Ehrenamts-Politik.“ Von deren Beratungskompetenz und Förderprogrammen sollten vor allem „die vielen“ profitieren und „nicht nur die großen Player“, fasst bundestag.de die Aussage zusammen.

Jan Holze, Vorstand der DSEE, bekräftigte, die Stiftung wolle „auf Augenhöhe“ „eine partnerschaftliche, nachhaltige, auf Dauer angelegte Zusammenarbeit“ mit den Engagierten. Er kündigte an, nicht nur weiter die Hardware- und Software-Infrastruktur von Vereinen zu fördern, sondern auch „eine IT-Support-Hotline“ anzubieten. Zudem werde es Mikro-Förderprogramme gerade für den ländlichen Raum geben. Es könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, beschreibt bundestag.de seine Aussage, wenn der Bund auf diese Weise durch eine eigene Institution als Geber und Ansprechpartner sichtbar werde.

Dass in Sachen Digitalisierung „ein großes Entwicklungsprogramm“ erforderlich sei, betonte auch Dr. Ansgar Klein, Hauptgeschäftsführer beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement. Mit der DSEE kooperiere das BBE gut. Allerdings verstehe er nicht, warum das BBE nicht in den Stiftungsrat eingeladen worden sei.

Tobias Kemnitzer begann sein Statement, für das fünf Minuten vorgesehen waren, mit einem Bekenntnis: So gut vieles angestoßen und handwerklich gelöst worden sei, so sehr habe er eine gemeinsame engagementpolitische Vision der Koalition vermisst und eine umfassendere Antwort auf die Frage: Wie sollen Engagement in der Breite und Tiefe systematisch nach vorne gebracht werden?

Schade, denn so habe in den letzten Jahren „das große Engagement-Potenzial der Zivilgesellschaft für unser demokratisches Gemeinwesen nicht abgerufen“ werden können.

Wie seine gemischte Bilanz zustande kam, veranschaulichte Tobias Kemnitzer an mehreren Beispielen:

  • Im Jahressteuergesetz die Abgabenordnung um gemeinnützigen Zwecke zu erweitern war wertvoll, aber der Einsatz für Demokratie, „das, was Engagement ausmacht“, wurde leider außen vor gelassen.  
  • Die Tücken des Transparenzregisters seien von der Koalition für Vereine schnell entschärft worden, eine gemeinsame Anstrengung, aber erst im Nachhinein, vorab sei aber leider nicht daran gedacht worden.
  • Das Programm „Menschen stärken Menschen“ wurde jetzt schon über Jahre fortgesetzt ein großer Erfolg. Aber bedauerlich gleichzeitig, dass man trotz seines Potenzials keine Versteigung erreichen konnte.
  • Positiv auch die wissenschaftlichen Berichte zum Engagement, die eine gute Analyse lieferten. Jedoch fehlte ein Mechanismus, wie man die Aufgaben und Bedarfe, die aus den Studien hervorgehen, angeht und umsetzt.
  • Auch bei der DSEE würde eine Vision vermisst: So viel sie als Servicestelle und Fördergeberin schon leistet, so wenig sei klar, wie beide Ansätze gut ausbalanciert wirken könnten. Unbedingt dürfe sich jetzt niemand zurücklegen und denken, es gebe die Stiftung, im Gegenteil, sie sei nur ein Instrument, es brauche weiter Engagementpolitik.
  • Und dann Corona. Bei aller Anerkennung, die die Zivilgesellschaft erhalten habe, habe es eine nur bedingt schützende Unterstützung der Politik gegeben.

Für die kommende Wahlperiode brauche es deshalb nochmal ein großes Programm, um die Lage des Engagements nach der Pandemie verlässlich und nachhaltig zu verbessern. Sieben Forderungen führte Tobias Kemnitzer dafür an:

  1. Bitte den Beitrag des Engagement systematischer und ausführlicher würdigen – besser als in der Corona-Krise.
  2. Es solle eine Selbstverpflichtung geben, dass im Engagement-Bereich nicht gekürzt werde. Sonst würden die Krisenbewältiger zu Krisenopfern.
  3. Bürokratische Entlastungen wie bei Mitgliederversammlungen bitte beibehalten.
  4. Länderunterstützungsprogramme bitte fortführen.
  5. Es brauche einen anderen Förderrahmen. Am Zuwendungsrecht immer nur weiter rumzudoktern werde der Sache nicht gerecht.
  6. Bitte unbedingt Wege finden, die Grundförderungen ermöglichen.
  7. Zusätzlich zum Vollausschuss brauche es weitere Formen, wie Zivilgesellschaft, Parlament und Regierung zusammenarbeiten, etwa in Gestalt einer ständigen Vertretung im Bundestag oder einem Rat für Demokratie und Engagement, ähnlich des Ethikrats.

Die Aufzeichnung der Sitzung vom 22. Juni 2021 als Video finden Sie hier.