03.04.2023

„Wie wir gut Engagement fördern könn(t)en: Die Engagementstrategie und unsere Themen“ – Rückblick auf den digitalen Fachtag des Netzwerk Engagementförderung

Foto: Pixabay.com

Realistische Erwartungen, ambitionierte Ziele

150 Interessierte aus verschiedenen lokalen Einrichtungen stellen fest: Für die Förderung von Engagement braucht es politische Rückendeckung und eine verlässliche Finanzierung. Das ist nur eine von vielen Erkenntnissen des Online-Fachtags, zu dem das Netzwerk Engagementförderung am 21. März 2023 unter der Moderation von Erik Rahn eingeladen hat.

Der Hintergrund: Die Bundesregierung will sich eine neue Strategie zur Förderung des Engagements geben. Unter Federführung des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), begleitet von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) sowie dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), sollen wichtige Ziele und Maßnahmen für diese Strategie identifiziert werden. Dazu ist ein Beteiligungsprozess vorgesehen, an dem Engagierte und zivilgesellschaftliche Organisationen mitwirken können.

Was also sind die wichtigen Themen und Herausforderungen vor Ort – insbesondere in Zeiten fortlaufender, multipler Krisen? Gemeinsam sollte überlegt werden, wie eine nachhaltige Engagementförderung aufgestellt sein sollte.

Synergien schaffen und kritisch debattieren

Dr. Holger Krimmer, „Zivilgesellschaft in Zahlen“ (ZiviZ)

Den Auftakt machte Dr. Holger Krimmer von „Zivilgesellschaft in Zahlen“ (ZiviZ) im Stifterverband mit einem Impulsvortrag, in dem er vor unrealistischen Erwartungen warnte. Die Bundesengagementstrategie liege in der politischen Verantwortung der Regierung, die Zivilgesellschaft solle jedoch ihre wichtigen Anliegen dezidiert einbringen. Als einen zentralen Punkt hob er die Schaffung von Synergien hervor, also etwa eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern oder die Etablierung hochrangig besetzter föderaler Gremien zur Förderpolitik. Krimmer sprach sich zudem für eine kritische Debatte rund um ein Engagementleitbild aus, mit Blick auf „unzivile“ Formen des Engagements und den engen Zusammenhang von Demokratieentwicklung und staatlicher Förderpolitik.

Die Engagementstrategie im Beteiligungsprozess

Den Prozess zur Strategie und die Möglichkeiten der Beteiligung stellte anschließend Nina Leseberg von der DSEE dar. Sie skizzierte zunächst die verschiedenen Verfahrensschritte, die bis Ende 2024 zu einem Kabinettsbeschluss über die neue Engagementstrategie führen sollen. Zuvor werden sowohl engagierte Einzelpersonen, lokale Organisationen, als auch Verbände und Expert:innen in den Beteiligungsprozess einbezogen. Im Zentrum stehen dabei Fragen nach den wichtigsten Themen, den größten Herausforderungen und Empfehlungen zur Unterstützung und Förderung von Engagement. Bereits jetzt haben sich viele Engagierte online beteiligt und dabei insbesondere die finanzielle Förderung und die Freiwilligengewinnung als bedeutsam markiert: https://www.zukunft-des-engagements.de/

Nina Leseberg, DSEE

Anliegen, Wünsche und Stärken der engagementfördernde Infrastruktureinrichtungen

Mit den angesprochenen Fragestellungen befassten sich die Teilnehmenden dann auch intensiv in Kleingruppen. Zwischenergebnis: Die Akteur:innen der lokalen Engagementunterstützung sehen als besondere Stärke ihrer Einrichtungen das vernetzte und flexible Arbeiten vor Ort an. Wichtigste Anliegen sind ihnen der Abbau überflüssiger Bürokratie, die Wertschätzung und Anerkennung für das Engagement sowie Aspekte von Nachhaltigkeit und Kooperation. Für ihre Arbeit wünschen sie sich besonders politische Rückendeckung und eine verlässliche Finanzierung.

Auf dem Weg zu einem “Engagementfördergesetz”?

Die abschließende Debatte mit der Bundestagsabgeordneten Ariane Fäscher, stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement, Dr. Lilian Schwalb, Geschäftsführerin des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und Netzwerk-Sprecher Tobias Kemnitzer thematisierte, wie eine nachhaltige Infrastrukturförderung gelingen kann und wie diese in der Engagementstrategie des Bundes verankert werden sollte.

Ariane Fäscher bestätigte die Reformbedarfe, die aus der Zivilgesellschaft angemeldet werden. Konkrete Änderungen seien etwa bei der Bürokratie, dem Gemeinnützigkeits- und Zuwendungsrecht oder der gesellschaftlichen Anerkennung von Engagement notwendig. Darüber hinaus müsse auch die Problematik der nachhaltigen Finanzierung der lokalen Infrastruktur angepackt werden. Allerdings verwies sie dabei auch auf die schwierige Haushaltssituation. Zugleich sah sie Potenziale innerhalb der organisierten Zivilgesellschaft hinsichtlich der Schaffung von Synergie durch mehr Vernetzung und Kooperation. Auch der Bund müsse sich mit seinen verschiedenen Ressorts und den Ländern besser abstimmen. In die Strategieentwicklung wolle sie sich als Parlamentarierin aktiv einbringen und sprach sich zudem für ein „Engagementfördergesetz“ aus.

Dieses Ziel wurde von Lilian Schwalb ausdrücklich begrüßt, die sich vom jüngst vorgelegten Demokratiefördergesetz enttäuscht zeigte. Sie erhoffe sich jetzt von den Verantwortlichen für die Bundesengagementstrategie einen ambitionierten Ansatz, der auch die Bereitstellung weiterer Finanzmittel umfasst.

„Gemeinsam werden wir an der Strategie arbeiten und uns daraus resultierend für ein Engagementfördergesetz stark machen, das Strukturen ermöglichen wird, in denen Menschen vor Ort selbstwirksame Gestaltungserfahrung machen und sich als wichtigen Teil der demokratischen Gesellschaft erleben.“

Ariane Fäscher, stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement

Das BBE als trisektorales Netzwerk und „Stimme der Zivilgesellschaft“ setze sich seit 20 Jahren für Kooperation, bessere Rahmenbedingungen und die nachhaltige Infrastrukturförderung ein und erwarte nun zählbare Forstschritte. Allein ein erneutes Auflisten von überwiegend altbekannten Änderungsbedarfen reiche nicht aus, vielmehr biete der Strategieprozess auch die Chance „Engagement neu zu denken“.

Ariane Faescher, MdB, SPD
© photothek.net
Lilian Schwalb, BBE
Tobias Kemnitzer, bagfa e.V.
© Marlene Gawrisch

Auch Tobias Kemnitzer hob hervor, dass es praktische Verbesserungen geben müsse, z.B. den Abbau bürokratischer Hemmnisse und die Flexibilisierung bei der Verwendung von Zuwendungsmitteln. Die lokalen Einrichtungen der Engagementförderung sieht er in vielfacher Hinsicht in einer „Schlüsselfunktion“ und als „Stabilitätsanker“ zur Bewältigung der Herausforderungen, etwa bei der Nachwuchsgewinnung in den Organisationen oder der Ermöglichung sozialer Teilhabe durch Engagement. Deshalb sei die Schaffung von verlässlichen Finanzierungswegen in der Fläche im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Es brauche aber auch ein „großes Bild“ für die angestrebte Entwicklung der nächsten Jahre, um die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements für den demokratischen Zusammenhalt deutlich zu machen.

Die Ergebnisse des lebendigen Fachtags werden nun von den Verantwortlichen im Netzwerk weiter ausgewertet und in den Prozess der Engagementstrategie des Bundes eingebracht.


Die Präsentation “Empfehlungen der Expertise im Kontext der Engagementstrategie der Bundesregierung” steht hier zum Download bereit.

Die Präsentation zum Prozess der Engagementstrategie der Bundesregierung steht hier zum Download bereit.

Die Ergebnisse aus den Kleingruppen stehen als PDF hier zum Download bereit.

Im NETZWERK ENGAGEMENTFÖRDERUNG haben sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa), die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V. (BaS), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), das Bündnis der Bürgerstiftungen Deutschlands (BBD) und das Bundesnetzwerk Mehrgenerationenhäuser e.V. (BNW MGH) zusammengeschlossen. Sie haben sich – über die Besonderheiten der jeweiligen Einrichtungen hinweg – gemeinsam zur Aufgabe gemacht, die lokalen Engagementstrukturen nachhaltig und verlässlich zu stärken.