Die meisten Berichte, die die Folgen von Corona beleuchten, stammen aus städtischen Gebieten. Aber was ist mit ländlichen Regionen – und zumal mit dem Engagement dort? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wollte das genauer wissen, nicht zuletzt um bedarfsgerechte Unterstützungen von Vereinen etc. zu planen, und fragte bei der bagfa an, die Kolleg/innen aus diversen lagfa’en und Freiwilligenagenturen gewinnen konnte, diese Frage zu beantworten. Aus deren Überblicken fassen wir hier einige Lektionen vom Land zusammen, die auch für urbane Engagement-Szenen interessant sein könnten.
Wie wirkt(e) sich die Pandemie auf Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement im ländlichen Raum aus?
Was dem Engagement einen zusätzlichen Schub gegeben hat
Die veränderten Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten, so schreibt eine Kollegin aus Hessen, beeinflussten die Engagementbereitschaft. „Viele arbeiten im Homeoffice, lange Fahrtzeiten zur Arbeit fallen weg, die Menschen sind mehr zuhause und identifizieren sich mit ihrer ‚Heimat‘: Ein Engagement ist dadurch auch eher möglich und gewünscht.“
Welches Engagement besonders sympathisch klingt
- Bürgersteigmusik = Musik für Senioreneinrichtungen vom Straßenrand
- Fenstergespräche = Gesprächsangebote für Einsame am Gartenzaun
- Kinder schreiben an Erzieher/innen oder an Ältere und malen für Senioren/innen Bilder
Wie sich die Generationen nicht auseinanderdividieren ließen
Die Hilfsbereitschaft war keine Einbahnstraße, so wird für Bayern vermerkt. Gerade jüngere Menschen bis 30 setzten sich für ältere Menschen ein, und letztere setzten ihre Fähigkeiten ein, um auch mitzuhelfen, etwa indem sie Mundmasken nähten. „Jeder entdeckt seine Art der Hilfe und bringt diese ein.“
Welche Rolle von Engagementförderern wichtiger geworden ist
Sie kümmern sich um die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes beim Engagement und um die Bereitstellung der für das Engagement nötigen Ressourcen (Spenden für z.B. Material für Mund-Naseschutz), heißt es aus Sachsen-Anhalt. Weshalb man, so die Forderung dazu, Gesundheitsförderung als ein Handlungsfeld des Engagements im ländlichen Raum dauerhaft aufgreifen und auch bei allen Engagementaktivitäten beachten sollte.
Was und wer größere Sorgen macht/e
- „Die Bindung zu einem Teil der Ehrenamtlichen ist schwierig“, so eine Stimme aus Niedersachsen, „da sie der Risikogruppe angehören und so nicht an Angeboten bzw. Aktionen teilhaben können.“
- „Berührung/ persönliche Nähe etc. sind Basis vieler Freiwilligenangebote (bspw. Hospizarbeit)“, schreibt die Kollegin aus Schleswig-Holstein. Hier entstünde zwar „mit viel Kreativität, auch digital, Neues auf kontaktloser Basis. Unter der Kontaktarmut leiden vor allem auch Schutzangebote – Kinderschutz, Hilfen für Familien in Not, Frauenschutz, Opferschutz, Minderheitenschutz, Schutz von Obdachlosen und Menschen, die schon vor der Pandemie in Notlagen waren.“
- „Insbesondere Vereine, die auf Mitgliederbeiträge und Spenden angewiesen sind, aber deren Auftrag nicht kontaktlos umsetzbar ist (manche Hallensportarten etc.) haben jetzt Überlebensschwierigkeiten.“
Wenn Engagement mehr Platz braucht
Sicherheitsabstände einhalten – unbedingt! Aber wie soll das in den gegebenen Räumen möglich sein? Oft sind sie zu eng, es braucht größere Raumangebote, heißt es aus diversen Ländern.
Was Corona für die Engagementförderung und ihre Stärkung bedeutet
Corona-Engagement auf dem Land war oft – Nachbarschaftshilfe. „Hier ist es wichtig“, heißt es etwa aus Schleswig-Holstein, „rein unterstützende/begleitende Strukturen wie Freiwilligenagenturen zu fördern und keine konzeptionellen Autoritätsstrukturen – Stichwort: Förderung/Begleitung des Engagements von unten!“ Außerdem, so Sachsen-Anhalt, braucht es „niedrigschwellige unbürokratische Engagementfonds, die flexibel auf aktuelle Herausforderungen reagieren können“.
Warum digital und analog künftig besser zusammenfinden sollten/werden
Nicht dass digitale Kommunikation die analoge ersetzen kann – aber ergänzen schon. Viele Engagierte seien auf den Geschmack gekommen: Mit Videocalls lässt sich Einiges schnell erledigen. „In Zukunft muss es einen selbstverständlicheren Wechsel zwischen online- und offline-Angeboten und Austauschformaten geben“, heißt es aus Hessen. Dafür braucht es allerdings gutes Internet, eine entsprechende Infrastruktur bei allen – und natürlich bei Bedarf Schulungen, um digital und ortsungebunden kommunizieren zu können.
Was besser nicht mehr passieren sollte
Einige Akteure, so heißt es in einem Bericht aus Bayern, hätten vorschnell geschlossen. Tafeln etwa hätten ihre Dienste eingestellt, ohne sich zu überlegen, wie man das Angebot anders aufrechterhalten könnte. Hier scheint Planung für den Krisenfall sinnvoll.
Was Vereine und andere Akteure künftig in Zugzwang bringen könnte
Sich digital zu engagieren, gehört jetzt mehr in den Möglichkeitshorizont von Engagementinteressierten. „Die Vereine und Organisationen müssen schauen“, heißt es aus Hessen, „ob sie auch neue Engagementformen entwickeln können, die ein Engagement von zuhause aus ermöglichen.“
Was außerdem in Zukunft fortgeführt werden sollte
- Insbesondere diverse Formen der Vernetzung, Abstimmung und Zusammenarbeit: „Das unbürokratisches Miteinander der Akteure in den Gemeinden/Kommunen/Kreisen sollte dauerhaft erhalten bleiben“, sagt der Kollege aus Sachsen-Anhalt.
- Diverse Formate, die entwickelt wurden, um Senioren gegen Vereinsamung zu schützen. „Ich hoffe, dass diese Zielgruppe mit den entsprechenden Engagementfeldern zukünftig auch weiterhin im Fokus bleibt“, heißt es aus Schleswig-Holstein. „Das wäre dann wirklich mal auch eine gute Folge der Pandemie, wenn man das so sagen darf.“