09.10.2020

Im Prozess der Digitalisierung: Chancen und Relevanz erkannt, Bedarfe angemeldet

Eine bagfa-Kurzumfrage gewährt Einsichten in den Stand der Digitalisierung von Freiwilligenagenturen und zum digitalen Engagement

Foto: Etienne Boulanger via Unsplash

44 Prozent der Freiwilligenagenturen sehen sich als Anfänger in Sachen Digitalisierung, 50 Prozent als Fortgeschrittene und fünf Prozent als Profis. Dies ist ein Ergebnis aus der bagfa-Umfrage im September 2020, an dem sich 116 Freiwilligenagenturen im ganzen Land beteiligt haben.

So unterschiedlich die Einrichtungen aufgestellt sind, so klar ist die Richtung, in die sie gehen: 75 Prozent sehen Digitalisierung überwiegend als Chance für sich. Um sie zu nutzen, braucht es jedoch auch Ressourcen, die meistens noch fehlen: technische Ausstattung, aber mehr noch fachliches Know how ebenso wie zeitliche Ressourcen.

Die Ergebnisse lassen sich im Einzelnen so zusammenfassen:

Freiwilligenagenturen unterscheiden sich stark darin, wie weit sie den Prozess der Digitalisierung schon selbst eingeleitet haben und begleiten. Darin spiegelt sich die Vielfalt der Ausgangsvoraussetzungen, unter denen sie arbeiten.

Datenbanken wie Freinet nutzen 74 Prozent, Videocalls und etwa Zoom setzen 72 Prozent der befragten Freiwilligenagenturen ein. Damit wären die digitalen Instrumente, die eine Mehrheit der Agenturen gebrauchen, auch schon aufgezählt. Direkt kommunizieren mit etwa Slack oder WhatsApp tun 40 Prozent, kollaborativ arbeiten mit z.B. Office 365, Google Docs 26 Prozent. Digitale Tools für Layout, Umfragen oder Newsletter nutzen ein Viertel bis ein Drittel der Agenturen. Noch dahinter rangieren Werkzeuge für Projekt- oder Anmeldemanagement mit 14 bzw. 12 Prozent.
Nur ein geringer Teil ist im Umgang mit den Tools so vertraut und kompetent, dass alles reibungslos läuft. 15 Prozent geben an, sie hätten keine Schwierigkeiten mit den digitalen Werkzeugen.
Auch die Möglichkeiten der Kommunikation werden noch begrenzt genutzt. „Ist Ihre Freiwilligenagentur auf Social Media aktiv?“ Nur gut die Hälfte (58 Prozent) antwortet hier mit „ja“. 98 Prozent davon bespielen Facebook, 48 Prozent Instagram, und Youtube nutzen 33 Prozent.

Um in der Digitalisierung voran zu kommen, fehlen den meisten Freiwilligenagenturen die erforderlichen Ressourcen. Weniger betrifft dies die Ausstattung, mehr noch Know how und Zeit.

75 Prozent der Freiwilligenagenturen sehen einen großen Bedarf bei Know How und Qualifizierung, 65 Prozent bei personellen Ressourcen und 49 Prozent bei der technischen Ausstattung. Was Letzteres anbelangt, fehlt es vor allem an ausreichend guten Geräten für mobiles Arbeiten. Häufig als Missstand wird auch erwähnt: langsames Internet, keine passende Software, kein Geld, entsprechende Lizenzen zu erwerben.
Damit ist eine Situation beschrieben, die an Debatten über die Digitalisierung der Schulen erinnert. Dort heißt es oft: Es reicht nicht, wenn Tablets rumliegen – man muss sie auch pädagogisch sinnvoll einsetzen können, sprich Lehrkräfte fortbilden etc.
Hier wie dort stößt man auch an Grenzen, die durch Regelungen der Träger bedingt sind: Je nach Datenschutzrichtlinie ist es den Agentursmitarbeitenden untersagt, zum Beispiel Videokonferenztools zu nutzen.
Damit sind noch nicht alle hinderlichen Faktoren genannt, die mit den Trägern zu tun haben. Eine offene Antwort lautet: „Gerade in konservativen Verbandsstrukturen ist es schwer, eine Digitalisierung voran zu bringen!“
Als Qualifizierungsbedarf wird von zwei Dritteln angegeben, sie möchten mehr Tools und Anwendungen kennenlernen. Gut jede zweite Agentur wünscht Weiterbildung zu externer Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Social Media. Und jeweils ungefähr ein Drittel zu den Themen Interne Kommunikation und Teamkultur, Möglichkeiten des kollaborativen Arbeitens und Datensicherheit und Datenschutz.

Um neue Technologien gut zu nutzen, braucht man einen Plan. Hier melden Freiwilligenagenturen einen Bedarf an: Ein Großteil hat noch keine explizite Strategie für Digitalisierung.

„Ich leite die Freiwilligenagentur allein, mit 20 Stunden“, schreibt jemand. „Ich würde gern etwas tun. Was ist in 20 Stunden realistisch? Wo fange ich an?“ Diese Ausgangslage zeigt, wie wichtig ist, aus den Möglichkeiten die auszuwählen, die den größten Nutzen bringen. Hier eine Orientierung zu haben, die einen Weg erkennen lässt, das scheint bislang nur wenigen Freiwilligenagenturen gelungen, denn:
70 Prozent haben bislang noch keine Digitalisierungsstrategie erarbeitet, 20 Prozent sind gerade dabei. 83 Prozent hätten Interesse daran, die Begleitung durch Expert/innen in Anspruch zu nehmen, um eine solche Strategie zu entwickeln.

Freiwilligenagenturen achten darauf, dass Digitalisierung ihrer Kernaufgabe dient: zuallererst der Einbindung von Freiwilligen, dann der Zusammenarbeit und dem Wissensaustausch mit anderen Organisationen. Für die interne Organisation werden digitale Tools weniger eingesetzt.

Vielleicht haben viele Freiwilligenagenturen schon eine Digitalisierungsstrategie – und sie sind sich dessen nur noch nicht bewusst. Was nämlich auffällt, ist: Bei Digitalisierung wägen die Agenturen ab, was es den Freiwilligen und dem Engagement bringt.
61 Prozent der Agenturen sehen das Risiko, dass Digitalisierung bestimmte Zielgruppen ausschließen könnte. Zugleich erkennen 86 Prozent darin die Chance, damit neue Zielgruppen zu erreichen. Und 69 Prozent erwarten sich davon eine bessere externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Diese Ansprüche an Digitalisierung offenbaren sich auch einer offenen Antwort: „Da ich allein (leider auch ohne Ehrenamtliche) die FWA als städtische Mitarbeiterin mache, hoffe ich, über die Digitalisierung mehr Personen einbinden und erreichen zu können.“
Für die Mehrheit ist es schon selbstverständlich, digitale Instrumente einzusetzen, um Freiwillige zu beraten oder mit anderen Akteuren zusammenzuarbeiten: 74 Prozent arbeiten mit einer engagementspezifischen Datenbank. 62 Prozent haben bereits eigene digitale Formate durchgeführt, darunter vor allem Online Seminare und Workshops (68 Prozent) und Online Beratungen/Sprechstunden (50 Prozent).
Deutlich weniger verbreitet in Freiwilligenagenturen ist die Digitalisierung interner Arbeitsprozesse: Zwar sind bei 72 Prozent Videokonferenzen üblich, für kollaboratives Arbeiten setzen jedoch nur 26 Prozent zum Beispiel Office 365, Google Docs etc ein, für Projektmanagement nur 14 Prozent Trello, Meistertask oder dergleichen. 40 Prozent kommunizieren direkt via Slack oder Whatsapp.

Damit Digitalisierung sinnvoll verläuft, muss die Zivilgesellschaft sie aktiv mitgestalten, heißt es. Freiwilligenagenturen sind bislang dazu nur bedingt in der Lage. Vielen fehlt es noch an Expertise, sehen aber ein relevantes Entwicklungsfeld.

Wer Digitalisierung der Zivilgesellschaft gestalten will, braucht gute Übersicht und muss am entsprechenden Diskurs auch teilnehmen. In dieser Position fühlt sich nur eine Minderheit der Freiwilligenagenturen, genau gesagt 45 Prozent. Dagegen sehen sich 34 Prozent nicht ausreichend orientiert und mit ihrer Stimme vertreten. Hier ergibt sich ein Feld, das noch zu beackern ist – wofür sich die Agenturen bereithalten.
Dabei tut sich noch die Frage auf, welche Rolle Freiwilligenagenturen eigentlich einnehmen sollten: Ist es die des Vorreiters, Pioniers oder Experten? Oder ist es eher die einer Begleiterin, wie eine Angabe in den offenen Antworten nahelegt:
„Digitalisierung und digitales Engagement muss nicht durch die Freiwilligenagenturen vorangetrieben werden. Sie müssen aber mit der Dynamik der Digitalisierung – wie auch mit anderen gesellschaftlichen Dynamiken – in der Gesellschaft Schritt halten und auf dem Laufenden bleiben. So wie ihre Nutzer (Engagementbereite und gemeinnützige Organisationen) auch.“