09.12.2022

Engagement für Geflüchtete im Wandel. Ergebnisse einer Befragung von bagfa und DeZIM-Institut

Was ist die Rolle der Freiwilligenagenturen im Engagement für Geflüchtete, wie hat sich das seit 2015 verändert und welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine auf ihre Arbeit?

Im Zuge der Eskalation des Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 und der damit verbundenen Flucht von hunderttausenden Menschen sind die Themen Flucht und Asyl wieder ins Zentrum der öffentlichen Debatte gerückt. Ähnlich wie bereits 2015 wird derzeit vielerorts die Zivilgesellschaft aktiv, organisiert Unterstützungsangebote für Geflüchtete oder setzt sich öffentlich für die Aufnahme und die Rechte von Geflüchteten ein. Um die Entwicklungen im Feld und die Rolle der Freiwilligenagenturen einschätzen zu können, haben die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa) und das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut) eine Befragung durchgeführt.

Im Mai und Juni 2022 wurden 412 Freiwilligenagenturen in ganz Deutschland eingeladen, an einer Online-Umfrage teilzunehmen. Die Ergebnisse beleuchten am Beispiel der Freiwilligenagenturen die Relevanz von lokalen Netzwerkknoten im Engagement für Geflüchtete, die Folgen der Ungleichbehandlung von Geflüchteten und die Herausforderung, nachhaltige Strukturen trotz geringer Ressourcenausstattung aufrechtzuerhalten. Mit dem Lern-, Erfahrungs- und Politikraum des Engagements für Geflüchtete ist die Zivilgesellschaft, wie das Beispiel der Freiwilligenagenturen zeigt, (über sich hinaus) gewachsen. Ihr Potenzial könnte mit krisenfesteren Rahmenbedingungen noch vielfältiger und inklusiver für die Gesellschaft wirken.

Die vollständige Analyse können Sie hier herunterladen.
Autor:innen: Lisa Götz, Tobias Kemnitzer (Vi.S.d.P.), Theresa Ratajszczak, Marina Seddig, Elias Steinhilper

Die Befragung ist Teil des Projekts „Die aktivierte Zivilgesellschaft“ (www.aktivzivil.de), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und die Folgen des freiwilligen Engagements seit 2015 untersucht.

Zentrale Erkenntnisse der Studie

Insgesamt haben 36 Prozent der 412 angefragten Freiwilligenagenturen an der Studie teilgenommen. Für die Mehrheit der Freiwilligenagenturen war bereits die Fluchtbewegung 2015/2016 der Grund, in der Unterstützung für Geflüchtete aktiv zu werden (62%). Die Agenturen berieten und begleiteten Engagierte, unterstützten Organisationen, Initiativen und Verwaltungen oder starteten eigene Projekte. Diese Erfahrungen bilden ein wichtiges Rückgrat für das aktuelle Engagement im Kontext der Ukraine-Hilfe: Viele der 2022 aktiven Agenturen konnten auf Netzwerke und Projekte aufbauen, die im „Sommer der Migration“ entstanden sind.

Darüber hinaus war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Flucht für rund 80 Prozent der Freiwilligenagenturen der Anlass, ihre Aktivitäten im Themenfeld Flucht und Asyl auszuweiten, z.B. indem sie neue Projekte angestoßen haben. Knapp fünf Prozent der Agenturen sind im Zuge der Flucht aus der Ukraine erstmalig im Feld aktiv geworden.

In ihrer Arbeit im Feld Flucht und Asyl kooperieren die Agenturen häufig mit anderen Akteuren aus der Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft und Politik & Verwaltung. Die Zusammenarbeit mit Verbänden bzw. Initiativen der Zivilgesellschaft wird mehrheitlich als positiv wahrgenommen, aber auch die Zusammenarbeit mit Politik & Verwaltung hat sich im Vergleich zu 2015 erkennbar verbessert.

Die größten Herausforderungen sehen die Agenturen in der Ungleichbehandlung zwischen Geflüchteten aus unterschiedlichen Herkunftsländern, in fehlenden personellen und finanziellen Ressourcen sowie der Schwierigkeit, in einem Engagementfeld mit großen personellen Schwankungen dauerhafte Strukturen zu schaffen.

Daraus ergeben sich konkrete Unterstützungsbedarfe für die Agenturen, die sich seit vielen Jahren als zentrale lokale Knotenpunkte des Engagements für Geflüchtete etabliert haben.