20.09.2023

Jetzt anfangen mit Diversität und Inklusivität: 55 Minuten mit Dr. Siri Hummel

Drei Einsichten aus unserem Digital-Talk über Diversität und Inklusivität in zivilgesellschaftlichen Organisationen

Foto: Maecenata Institut

Ob in der Politik, Wirtschaft oder Kultur – die Auseinandersetzung mit Diversität in den eigenen Strukturen gehört mittlerweile zur Tagesordnung. Dies gilt auch für die Zivilgesellschaft, die sich mit ihrer Arbeit häufig für sozialen Zusammenhalt, Teilhabe und eine offene Gesellschaft einsetzt. Doch laut einer Studie des Maecenata-Instituts gibt es zu wenig Diversität in zivilgesellschaftlichen Organisationen. Vor allem Führungsposition seien nach wie vor von älteren, weißen, nicht-behinderten und gut situierten Männern besetzt. Auch das klassische Bild des Engagierten folge diesen Kategorien. Gute Argumente für Diversität und Inklusivität gibt es ausreichend – besonders mit Blick auf Organisationsentwicklung und Nachwuchsgewinnung. Doch hierfür braucht es Willen, Ressourcen und passende Hilfestellungen.

Über den Wandel hin zu einer diverseren und inklusiveren Zivilgesellschaft, über Konflikte, Erfolgschancen und Best-Practice-Beispiele, haben wir am 19. September 2023 mit Dr. Siri Hummel, Direktorin des Maecenata Instituts, gesprochen. Gemeinsam mit weiteren Autorinnen hat sie kürzlich die oben genannte Studie “Da ist Diverses möglich – Wege der Umsetzung von Diversität und Inklusivität in zivilgesellschaftlichen Organisationen” veröffentlicht (hier zum Download verfügbar). In unsere „55 Minuten“ gab Dr. Hummel Einblicke in die Studie und teilte ihre Erfahrungen aus dem Forschungsprozess.

Der Digitaltalk ist hier zum Nachhören auf unserem YouTube-Kanal zu finden. Außerdem haben wir das Gespräch in drei zentralen Perspektiven zusammengefasst, die Diversität und Inklusivität in der Zivilgesellschaft beleuchten.

1. Die Umsetzung von Diversität und Inklusivität benötigt finanzielle und zeitliche Ressourcen – entscheidend ist jedoch der Wille anzufangen

Aufgrund von projektgebundener Förderung fehle in zivilgesellschaftlichen Organisationen oftmals Raum und Kapazitäten für diversitäts- und inklusivitätsorientierte Organisationsentwicklung, so Dr. Siri Hummel. Solche Prozesse benötigen immer gewisse Ressourcen, zeitlich wie auch finanziell. Hummel plädiert dafür, dass dies Organisationen jedoch nicht davon abhalten sollte, Wandel im Sinne von Diversität und Inklusivität anzustoßen. Ein Learning aus der genannten Studie gab sie an die Zuschauer:innen weiter: In vielen Fällen bietet sich eine externe Beratung für DI-Prozesse an, die kostengünstig angeboten wird – auch um Konflikte innerhalb der Organisation zu moderieren.

Wichtig sei es, einen Anfang zu machen und sich auf einen gemeinsamen Weg zu begeben. Die Studie bietet hierfür einen Werkzeugkoffer, der Hinweise, Leitbilder, weiterführende Literatur und Best-Practice-Beispiele für DI-Prozesse bietet. Gleichzeitig plädierte Dr. Hummel dafür, DI-Kriterien stärker in die nationale Förderlogik aufzunehmen, gerade um Prozesse in den Organisationen anzustoßen. Hier sei ein wirkungsvoller Hebel ungenutzt.

2. Eine ehrliche Kommunikation über Entscheidungshierarchien innerhalb der Organisation ist notwendig, um den Wandel anzugehen

Eine Organisation muss, laut Siri Hummel, gute Bedingungen schaffen, damit alle an DI- Prozessen partizipieren können und wollen, dabei müssen alle Hierarchie- und Strukturebenen mitgenommen werden. Diversität kann nicht Top-Down verordnet oder nur Bottom-Up erwünscht sein – ein Zusammenspiel der vertikalen und horizontalen Organisationsebenen ist zwingend erforderlich. Das in der Studie entwickelte SETT-Modell sei, so die Sozialwissenschaftlerin, ein Versuch, das komplexe Thema für Organisationen so herunterzubrechen, damit Organisationen darauf aufbauend eine Strategie mit klaren Meilensteinen und Zielen entwickeln können. Damit zivilgesellschaftliche Akteure Wandel anstoßen können, brauche es jedoch zunächst eine ehrliche Bestandsaufnahme des Status Quo.

Transparenz sei hier ein wichtiges Stichwort: Es muss offengelegt werden, wie Entscheidungs- und Machtbefugnisse verteilt sind. Hierbei spielen auch Details eine Rolle, etwa zu welcher Uhrzeit Veranstaltungen angeboten werden. Wo werden diese durchgeführt? Wie zugänglich sind Veranstaltungen? Wie werden Entscheidungsprozesse offengelegt und erklärt? Zu Beginn ist es laut Siri Hummel wichtig, „alles transparent auf den Tisch zu packen“ und Ausschlüsse und Barrieren zu erkennen, um Kriterien der Diversität und Inklusivität gemeinsam auszuhandeln.

3. Zivilgesellschaft sollte eine Avantgardeposition in Sachen Diversität und Inklusivität einnehmen

Zivilgesellschaftliche Organisationen verorten sich oft als „Anwältin für marginalisierte Gruppen“ um deren Anliegen mehr Gehör zu verschaffen – diesen moralischen Anspruch dürfen sie jedoch nicht nur appelativ vor sich hertragen, sondern müssen ihn auch nach Innen leben, führte Siri Hummel aus. Hierbei geht es nicht darum, ein wortreiches Konzept aufs Papier zu bringen oder ein weiteres Häkchen im Förderantrag zu setzen, sondern um die Gestaltung und Umsetzung von Kommunikationsprozessen nach Innen. Engagement als Querschnittsthema spricht verschiedenste Gruppen der Gesellschaft an. Für die Freiwilligenagenturen ergibt sich laut Dr. Hummel ein großes Potenzial, sowohl Diversität und Inklusivität zu leben als auch als Knotenpunkt des Engagements für DI-Prozesse gegenüber kooperierenden Organisationen zu sensibilisieren.

Weiterführende Links:

  • Studie “Da ist Diverses möglich – Wege der Umsetzung von Diversität und Inklusivität in zivilgesellschaftlichen Organisationen” | Download hier
  • Verhaltenskodex der Stiftung Bildung | Download hier
  • Diversity-Checkliste des Zukunftsinstituts | Download hier
  • Wanderausstellung “EngaGIert – Vielfalt im Ehrenamt” des Freiwilligenzentrums Gießen | Informationen hier