29.11.2022

Die Zukunft ist rosig – oder nicht? Dokumentation zum digitalen bagfa-Thementag

Gemeinsam mit der ZiviZ im Stifterverband führte die bagfa am 24. November den Online-Thementag: “Hinter dem Horizont immer weiter: Mit der Foresight Methode einen (optimistischen) Blick in die Zukünfte der Freiwilligenagenturen werfen” durch. Dort bekamen die rund 50 teilnehmenden Freiwilligenagenturen einen Einblick in die Foresight-Methode.

Dabei handelt es sich um einen Kreativ-Ansatz, der es Organisationen ermöglicht, anhand konkreter Umweltfaktoren Szenarien und die eigenen Handlungsansätze zu überprüfen.

Dazu gaben die Referentinnen Dr. Birthe Tahmaz und Laura Benning von ZiviZ einen praktischen Einblick in die Studie Prognosen und Zukunftsszenarien. Zivilgesellschaftliches Engagement im Jahr 2031. Es wurde deutlich, dass es sich auch für zivilgesellschaftliche Organisationen lohnt, sich systematisch mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Auf diese Weise kann die eigene Rolle und Handlungsfähigkeit mit Dynamiken aus dem Engagementumfeld kontextualisiert und reflektiert werden.

Wie können Freiwilligenagenturen in die Zukunft schauen?
Die Folien zur Einführung in die Foresight Methode finden Sie hier.

Im Rahmen des von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt geförderten Projektes haben auch zwei Freiwilligenagenturen in einem Workshop die Foresight-Methode getestet. Einen Einblick in die Praxiserfahrung ihrer Teams gaben Katharina Wehner aus dem Centrum Bürgerschaftliches Engagement in Mühlheim und Wolfgang Krell aus dem Freiwilligenzentrum Augsburg. Ihre Standorte haben in diesem Jahr als erste in je einem Tagesworkshop mit den Referentinnen teilgenommen und die Foresight-Methode gemeinsam mit ihren Teams umgesetzt.

Rauszoomen und kreativ werden

In einem Gespräch gaben sie den Teilnehmenden einen Einblick in ihre Erfahrungen.

Zu den eigenen Erwartungen vor dem Workshop waren sich beide einig: Einen angeleiteten Prozess für die Auseinandersetzung mit der Zukunft erschien ihnen sinnvoll, auch wenn das Thema in beiden Freiwilligenagenturen auch vorher schon präsent war.

Während in Augsburg ein Tagesworkshop dafür angesetzt wurde, kam die Methode in Mühlheim an zwei Halbtagen zum Tragen und das kam gut an. Katharina Wehner berichtete, dass der kreative Prozess mit dem Team sehr intensiv war und sie gern noch mehr Zeit gehabt hätte, um noch tiefer eintauchen zu können. Auch Wolfgang Krell war der Meinung, dass ein einziger Tag recht knapp bemessen war und es auch interessant wäre, nach einem Zeitraum noch mal auf die Erkenntnisse aus dem Workshop zurückzukommen.

Themen, mit denen die beiden Freiwilligenagenturen sich unter anderem auseinandergesetzt haben, waren Digitalisierung, Sozialraumentwicklung, Diversität und Teilhabe und Nachhaltigkeit.

Das Team in Mühlheim konnte aus dem Workshop direkt konkrete Handlungsoptionen ableiten, wie beispielsweise Maßnahmen, Familien und Jugendliche als Zielgruppen gezielter anzusprechen. Das Augsburger Team tauscht sich seither in regelmäßigen Abständen über aktuelle Entwicklungen in der Stadtgesellschaft mit Blick auf die Zukunft aus. Wolfgang Krell betonte, dass es hilfreich ist, vorbereitet zu sein und in verschiedene Richtungen zu denken.

Auf die Frage, was sie anderen Freiwilligenagenturen empfehlen würde, antwortete Katharina Wehner, dass es sinnvoll ist, sich Zeit zu nehmen um in einen “kreativen Flow” zu kommen und im besten Fall auch das vertraute Umfeld des eigenen Büros zu verlassen für eine Auseinandersetzung mit der Zukunft.

Hier findet sich der Werkzeugkasten zur Methode.

Dieser soll es zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglichen, auch eigenständig einen Foresight-Prozess zu durchlaufen. Die Erfahrungen aus den Workshops sind darin eingeflossen.

Gesellschaftsministerium oder fossile Brennstoffe in 2032?

In vier Gruppen wurden anschließend ein Positiv- und ein Negativ-Szenario für das Jahr 2032 in Form einer kleinen Geschichte diskutiert:

Zwei Zukunftsszenarien für das Jahr 2023

Dabei lag der Fokus auf der Rolle der Freiwilligenagenturen und ihren konkreten Handlungsoptionen. In einer Welt, die von Spaltung und fehlender Solidarität geprägt ist, verstehen sich Freiwilligenagenturen als Schutzräume und Vorbilder für gesellschaftliches Miteinander. Während in einer Zukunft, in der Luisa Neubauer als Staatssekretärin im Frühstücksfernsehen auftritt, die Aufgabe der Freiwilligenagenturen von einer Gruppe vor allem als Fürsprecherinnen für Engagement mit einer starken Haltung beschrieben wurde. Mit Blick in die Gegenwart wurde in der anschließenden Vorstellung der Ergebnisse deutlich, dass Freiwilligenagenturen schon heute an einer lebenswerten gesellschaftlichen Zukunft mitwirken.

Positiv-Szenario, grafisch dargestellt von Ann-Kristin Lorenzen
Negativ-Szenario, grafisch dargestellt von Ann-Kristin Lorenzen

„Wir müssen mehr über die Zukunft nachdenken“: Was Dr. Thomas Röbke am Ende als Tagungsbeobachter noch zusammenfasste und schlussfolgerte

Wir müssen mehr gemeinsam über Zukunft nachdenken. So signalisierte Dr. Thomas Röbke, Geschäftsführer des Landesnetzwerkes Bayern e.V., seine Zustimmung zur Foresight-Methode, als er seine Beobachtungen zum Ende des Thementages vorstellte. Es sei eine gute Methode, auch weil sie „gesellschaftspolitisch angetrieben“ sei. Nur wenn es zu sehr konkret in den Szenarien werde, dann nimmt ihm das kreativen Atem; hier brauche es „mehr Luft“ und weniger in Stein gemeißelte Zukunft.

Not tue aber jedes umfangreichere Gespräch über die Zukunft in jedem Fall. Schließlich dämmerte es uns allen, dass wir in einer „Sattelzeit“ (Reinhard Koselleck) lebten: Angesichts der Lage ginge es längst nicht mehr um kleine Begradigungen, sondern ums große Ganze. 

„Wenn wir uns jetzt nicht der Zukunft widmen“, so sagte Thomas Röbke, „dann landet man entweder in Mutlosigkeit oder in einem Rückzug in die Blasen.“ 

Für Freiwilligenagenturen sieht er dabei schon einen gesellschaftspolitischen Auftrag: das Gemeinwesen zu gestalten und für Engagement die Stimme zu erheben. Was allerdings auch die Frage nach sich zöge, wie Freiwilligenagenturen in kommunaler Trägerschaft die nötige Unabhängigkeit aufbringen können, um diese zwangsläufig auch politische Perspektive einzubringen. 

Der kommunale Rahmen bleibe ein entscheidender Rahmen. Denn das sei die Ebene des Handelns, hier brauche es Möglichkeiten, aktiv werden zu können. Konkret hilfreich seien dafür auch Runde Tische, damit sich relevante politische Akteure – zusätzlich zur Vernetzungsarbeit der Freiwilligenagenturen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen – abstimmen und an einem Strang ziehen können. Auch müsse man für den kommunalen Kontext Engagementstrategien entwickeln. Da könnte die Foresight-Method sicherlich gute Dienste leisten.

Leicht wird es nicht. Das hängt für Thomas Röbke auch damit zusammen, dass wir alle mehrdimensional denken und handeln müssen. Alles hängt mit allem zusammen, das Klima mit der Demografie, der Krieg mit Armut etc. Zudem hat man es mit einem politischen Diskurs zu tun, wo nicht immer die Expert:innen am lautesten sind, sondern Partei-Politiker:innen. Das sehe man gerade bei der Debatte um die Pflichtzeit, bei der es noch nicht gelungen sei, die fachlichen Diskurse in den öffentlichen Raum zu bringen. Auch müsse man die zivilgesellschaftliche Haltung insgesamt besser platzieren, etwa in die Diskussion um eine nationale Engagementstrategie. Auch da wäre es gut unsere Impulse von Zukünften einzubringen.

Visualisierung des Thementags von Ann-Kristin Lorenzen