09.08.2021

bagfa-Arbeitsforum: COVID-19 Response and Volunteer Centers in Europe

Am 15. Juni 2021 fand das erste Arbeitsforum zum Thema „Internationale Erfahrungen von Freiwilligen-Agenturen in der Corona-Krise“ digital statt. Dazu waren 3 Referent:innen aus Rumänien, Italien und Schottland eingeladen:

Corina Pintea, Pro Vobis – National Resource Center for Volunteering, Cluj Napoca, Rumänien

Pro Vobis ist eine Organisation zur Förderung von freiwilligem Engagement, die seit über 25 Jahren besteht. Pro Vobis fördert die Freiwilligenamangement-Kompetenzen von rumänischen Organisationen und will die Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement in Rumänien stärken.  

www.provobis.ro

Alan Stevenson, CEO, Volunteer Scotland, Schottland

Volunteer Scotland ist das Nationale Freiwilligen-Zentrum, das u.a. von der Schottischen Regierung gefördert wird. Aufgabe ist die Forschung und Wirkungsmessung des Freiwilligen Engagements in Schottland. Neben Schulungen zu Qualitätsstandards im Engagement bietet Volunteer Scotland auch ein Online-Portal für interessierte Freiwillige.       

www.volunteerscotland.org.uk

Ksenija Fonovic, CSV Lazio, Roma – Italien

CSV Lazio ist die regionale Freiwilligen-Agentur in Rom, und ein Teil der nationalen Infrastruktur zur Engagement­förderung und damit des gemeinnützigen CSV-Netzwerkes von Italien. Sie bieten ein breites Spektrum von Beratung und Unterstützung an – ganz nah an den lokalen Organisationen, die von Freiwilligen geführt werden oder mit Freiwilligen arbeiten. Aufgabe ist die Förderung einer “Kultur der Solidarität”, die Unterstützung von Netzwerken und die Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen.

www.volontariato.lazio.it

Wolfgang Krell (bagfa-Vorstand – FZ Augsburg) moderierte dieses Arbeitsforum, das zum ersten Mal überhaupt in Englisch durchgeführt wurde.

Die aktuelle Situation in den einzelnen Ländern

Italien:

Momentan gibt es eine euphorische und dynamische Stimmung: viele Leute sind schon geimpft und es geht wieder „zurück zur Normalität“ – alle hoffen auf eine „Corona-Pause“ mit einem schönen Sommer. Es wurden während der Pandemie viele neue Wege gefunden, wie der Kontakt aufrechterhalten bleiben kann und wie auch freiwilliges Engagement digital organisiert werden kann.

Schottland:

Der Schwerpunkt lag darauf, Organisationen zu unterstützen, ihr Freiwilligen-Management auch digital aufrecht zu erhalten. Viele Freiwillige sind noch zurückhaltend bei der Rückkehr zu ihrem Engagement – aus Sorge um die eigene Gesundheit. Auch in Schottland wird die sog. Brennglas-Wirkung der Pandemie diskutiert: Die Sichtbarkeit von sozialer Ungleichheit und Benachteiligung bestimmter Gruppen wurde durch die Krise verstärkt. Manche Menschen sind digital abgehängt – deshalb war ein wichtiger Teil der Arbeit von Volunteer Scotland, technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen und Digitalisierungs-Weiterbildungen anzubieten.

Wichtig ist jetzt, sichere Engagementmöglichkeiten zu fördern und neue Freiwillige zu gewinnen (besonders auch wieder Ältere). Wichtig war: Organisationen die schon ein stabiles lokales Netzwerk zu Organisationen und Bürger:innen gepflegt hatten, sind krisenfester und konnten die Engagementförderung weiter ausbauen.

Rumänien

Momentan gibt es eine sehr positive Stimmung: Die Menschen können es gar nicht mehr erwarten rauszukommen und sich zu engagieren. Auch viele gemeinnützige Organisationen starten wieder mit ihren Aktivitäten. Freiwilligen-Agenturen sind in Rumänien meist nicht unabhängig, sondern angegliedert an eine größere Organisation (und deshalb auch stark abhängig von deren finanzieller Situation). Manche Organisationen haben schnell digitale Angebote gemacht, manche sind von Schließung bedroht, andere haben neue Aufgaben übernommen wie die Unterstützung des Gesundheitspersonals oder die Lebensmittelverteilung in ländlichen Regionen.

Irgendwie waren alle hyperaktiv – aber ohne Koordination, da sich öffentliche Stellen zurückgezogen hatten und die zivilgesellschaftlichen Organisationen auf sich allein gestellt waren. Schnell wurden nicht-organisierte, informelle Gruppen aktiv, die sehr spontan agierten – z.T. ohne große Strategie, aber dabei sehr wirkungsvoll. Während der Krise haben sich mehr Menschen mittleren Alters engagiert – in der Regel sind die größte Gruppe der rumänischen Freiwilligen junge Menschen. Diese neue Zielgruppe stellte allerdings auch neue Anforderungen an die Einsatzstelle: Sie wünschen sich gutes Freiwilligenmanagement und klare Zielvorgaben ihrer Aktivitäten.

Es gibt den dringenden Wunsch nach einer übergeordneten Struktur für Engagementförderung, um die Zusammenarbeit der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure zu koordinieren.

Unterstützung von informellem Engagement

Die Runde diskutierte diese Fragen mit unterschiedlichen Perspektiven.

In Schottland wurden positive Erfahrung mit der schnellen und praxisnahen Unterstützung informeller Engagementgruppen gemacht. Dabei ging es nicht darum, Regeln und Vorgaben zu vermitteln, sondern durch gezielte Hilfestellungen und Materialien ein besseres Freiwilligenmanagement zu ermöglichen. Parallel dazu wurden digitale Austausch- und Vernetzungsangebote gemacht. Eine positive Erfahrung war die digitale Kontaktaufnahme zu informellen.

Wo vorhandene professionelle Strukturen unterstützen konnten, kam es zu Kooperationen mit und zwischen den Freiwilligen-Organisationen. Die vorhandene landesweite digitale Engagement­plattform kam durch den großen Andrang an Freiwilligen an ihre Grenzen, sodass doch wieder viele Engagementmöglichkeiten lokal vermittelt wurden. Auch in Italien war der Ansatz ein pragmatischer: es ging darum, Freiwillige zu unterstützen, egal ob sie formell oder informell engagiert waren. In Rumänien war die Erfahrung war, dass formelles, organisiertes Engagement an seine Grenzen stößt – es ist oft zu bürokratisch und das kam bei den Bürger:innen nicht gut an. Daraus entstand die Forderung nach einer Unterstützung für informelles Engagement.

Ähnlich wie in Deutschland war das Thema der digitalen Zugänge für Engagierte ein Thema in der Pandemie, da besonders Senioren die strukturgebenden und sozialen Elemente des Vor-Ort-Engagements sehr schätzen, die sich digital nicht gut abbilden lassen.

Sowohl in Italien als auch in Schottland gehört die Risikogruppe zu den vor der Krise am stärksten Engagierten und es stellt sich die Frage, wie diese Personen wieder in ihr Engagement „zurückfinden“.

Es kann auch für Deutschland festgestellt werden, dass informelles Engagement oft nicht im Blick der Infrastruktureinrichtungen der BE-Förderung ist – eher ist es das formelle Engagement mit seinen etablierten Strukturen. Es stellt sich also die Frage, wie informelle Engagementstrukturen von Freiwilligen-Agenturen besser unterstützt werden können und welche Rolle digitale Möglichkeiten dabei spielen.

Was ändert sich, was bleibt?  

Rumänien:

  • Es gibt hohe Erwartungen von den neuen Freiwilligen an die Freiwilligen-Organisationen zu Freiwilligenmanagement und guten Rahmenbedingungen für das Engagement
  • Die Gewinnung von neuen Freiwilligen wird in formellen Organisationen schneller laufen wird, da es während der Krise schon erfolgreich lief.  Auch Freiwilligen-Agenturen müssen „krisenfester“ werden, um schnell Freiwillige zu koordinieren.
  • Es braucht mehr Dokumentation und Statistik zu freiwilligem Engagement, um die Wirkung aufzuzeigen. Es zeigte sich, dass Monitoring auf lokaler, aber auch auf nationaler Ebene sehr wichtig sind. 

Schottland: 

  • Online Volunteering gewinnt mehr an Bedeutung wie auch Online-Fortbildungen – allerdings entsteht dort auch neuer Wettbewerb um die Freiwilligen, weil man sich nicht mehr auf die lokale Ebene beschränkt. 
  • Die eigene Kultur der Organisation ändert sich – Partnerschaften und Zusammenarbeit müssen wichtiger werden, damit unter dem Druck von Krisen besser gemeinsam agiert werden kann.
  • Die Ungleichheiten, die es schon vor der Krise gab, wurden noch verstärkt und werden bleiben, wenn es nicht gelingt die Kooperation im Freiwilligen-Sektor und in der ganzen Gesellschaft besser zu organisieren. 

Italien: 

  • Es wird entscheidend sein, die Generation der jetzigen Senioren, die den Freiwilligen-Sektoren in den letzten Jahrzehnten entscheidend geprägt haben, wieder ins Engagement zurückzubringen.
  • Die Beziehung zu den lokalen Netzwerken muss intensiver gepflegt werden, da sich diese Partnerschaften in der Krise ausgezahlt haben. Dazu braucht es Infrastruktureinrichtungen, diese Vernetzung fördern und unterstützen.
  • Nachbarschaften als lokale Netzwerke gewinnen an Bedeutung und die gute Kooperation auf dieser Ebene ist hier entscheidend.