10.09.2019

7. Netzwerkpartnertreffen zur Freiwilligendatenbank der Aktion Mensch – Kleine Anfänge finden für große Zusammenhänge

Dokumentation zum 7. Netzwerkpartnertreffen vom 2. bis 3. September in Bonn

Bereits zum siebten Mal trafen sich die Netzwerkpartner der Freiwilligendatenbank der Aktion Mensch zu ihrem jährlichen Austauschtreffen. Zum ersten Mal fand das Treffen, diesmal mit dem Themenschwerpunkt „Demokratie und Partizipation“, in der Geschäftsstelle der Aktion Mensch in Bonn statt. 

„Demokratie braucht Vielfalt und Inklusion“, betonte Christina Marx, Leiterin der Aufklärung in der Geschäftsleitung der Aktion Mensch, gleich in ihrer Begrüßung. Dabei sei das freiwillige Engagement vieler Menschen von großer Bedeutung. Während die Aktion Mensch oft in zweiter Reihe unterstütze und begleite, seien die Freiwilligenagenturen an der Basis verankert. „Daher ist der Austausch für uns besonders wichtig“, betonte Marx, „wir freuen uns auf Ihre Impulse, damit wir künftig noch besser gemeinsam für Inklusion eintreten, also zu Vielfalt und Teilhabe in unserer Gesellschaft beitragen können.“

Foto: Aktion Mensch

Die Vertreter/innen von rund 50 Freiwilligenagenturen ließen sich das nicht zweimal sagen. Kaum hatte sich Tobias Kemnitzer, Geschäftsführer der bagfa e.V., in seiner Begrüßung der Aktion Mensch für die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit bedankt, ging es schon „zur Sache“. Danach gefragt, was gerade die größte Herausforderung im inklusiven Engagement sei, nannten die Teilnehmenden eine Sorge: Ob alle Gruppen von Menschen mit Behinderung gleichermaßen erreicht werden. Oft gelänge es besser, jene mit Körperbehinderungen einzubinden, weniger gut dagegen diejenigen mit Lern- und Sinnesbeeinträchtigungen. Die potenziellen Einsatzstellen für inklusives Engagement zu sensibilisieren und zu öffnen, bleibe also ebenfalls eine Herausforderung.

Von einem Fortschritt berichtete das Freiwilligen Zentrum Hamburg, das dort ansässige AKTIVOLI-Netzwerk  wirbt aktuell für ihren Fachtag „Kommunikation“ in Gebärdensprache. Dies ist ein Beispiel für einen größeren Zusammenhang, der wiederholt angesprochen wurde und sich als wesentlich herausstellte: Zu oft würden die Themen Inklusion, Digitalisierung, aber auch Partizipation und interkulturelle Öffnung getrennt voneinander behandelt – dabei seien diese Aspekte in der Praxis eng miteinander verbunden. 

Außerdem wurde angemerkt, mit einigen Anforderungen vorsichtig umzugehen: Freiwilligenagenturen sollten jeweils die spezifischen lokalen Erfordernisse berücksichtigen „und nicht auf jeden digitalen Zug aufspringen“. Auf die Zielgruppe komme es an und auf die örtlichen Bedingungen. In urbanen Umfeldern sind vielleicht eher digitale Tools einsetzbar, so eine Stimme, während in ländlichen Regionen das persönliche Gespräch in vielen Fällen entscheidend sei: „Die Leute möchten uns anrufen und Fragen beantwortet wissen.“ Dabei gehe es stärker um Übergänge zwischen den Kommunikationsformen als um einander ausschließende Alternativen. Zum Beispiel „Junges Engagement“: Wer Jugendliche einbinden wolle, brauche irgendwann Instagram. Um sie für Engagement zu begeistern, sei der persönliche Kontakt jedoch immer noch am wirkungsvollsten.

Zum Einstiegsprogramm des Netzwerkpartnertreffens gehörte außerdem, die Aktion Mensch etwas näher kennenzulernen, in deren Geschäftsstelle das Treffen stattfand. Dabei wurden die aktuellen Förderprogramme der Aktion Mensch vorgestellt, darunter die mit geringem Aufwand zu beantragenden Mikroförderungen.

„Wege der Demokratie“ hieß im Anschluss ein gut zweistündiger thematischer Spaziergang im ehemaligen Regierungsviertel, bei dem kundige Stadtführerinnen den Teilnehmer/innen einige Stationen und Schauplätze der Bonner Republik vorstellten. Dabei wurde vor allem deutlich, dass Demokratie nie fertig ist, sondern immerzu weiterentwickelt wird, gepflegt und lebendig gestaltet werden muss. Die Art, wie Räume designt werden, sagt viel darüber aus, wer sie wie und wofür nutzt, etwa dass der ungeschönte Betonboden vor dem ehemaligen Plenarsaal direkt in diesen hineinführt – kein roter Teppich für die Abgeordneten, sondern der Boden der Tatsachen.

Verschiedene Aspekte von Vielfalt, Kommunikation und Inklusion wurden am zweiten Tag in vier Workshops vertieft. Formen des ethischen Marketings, Möglichkeiten inklusiver Bildsprache, Zukunftswege inklusiver Freiwilligenagenturen und Facetten der Selbstpräsentation, das waren die Themen, bei deren Bearbeitung sich ein gemeinsamer Grundton einstellte: Immer geht es darum, nicht zu lange über etwas zu reden, sondern einfach etwas zu machen, was zu mehr Teilhabe führt und Engagement erleichtert. Und dabei nicht alles auf einmal machen zu wollen, sondern mit kleinen Dingen anzufangen, die einigermaßen leicht und kurzfristig umsetzbar sind.

Die Frage, wie Demokratie gefördert und lebendig erhalten werden kann, lief dabei begleitend mit, bis sie mit Jürgen Wiebicke einen so inspirierenden wie eindringlichen Ausdeuter und Fürsprecher fand. Die Teilnehmenden hatten zuvor eine Ausgabe seines Buchs „Zehn Regeln für Demokratieretter“ als Impuls und Arbeits- und Gesprächsgrundlage erhalten. Sie hatten, mit oder ohne Lektüre, die Chance, sich mit seinem Verständnis von freiwilligem Engagement und Politik auseinanderzusetzen.

Nachdenklich und präzise zeigte Wiebicke auf, wie elementar persönliche und gemeinschaftliche Beteiligung für die menschliche Gesellschaft sind. Eine seiner Diagnosen lautete: Viele Menschen hätten verlernt, in soziale Rollen zu finden, in denen sie etwas bewirken könnten. Freiwilligenagenturen seien dafür da, dies zu ermöglichen, „sozusagen als Makler“. Sich einbringen in lokale Bezüge, das ist für ihn die Urform politischen Handelns und unbedingt zu fördern, weil sich immer mehr Menschen von Zwängen umstellt sehen, aller Einflussmöglichkeiten beraubt, zumal in einer globalisierten Welt, die kaum veränderbar erscheint. 

Ein nicht zu unterschätzendes Alarmsignal: dass Menschen die Zuversicht verlören. Umso wichtiger zu bedenken: „Man kommt nur ins Handeln, wenn man kleine Anfänge findet.“ Wer die Früchte des eigenen Handelns sehe, und sei es in einer noch so klein scheinenden Umgebung, der verändere sein Verhältnis zur Welt. Und auch das sei schon politisches Handeln.  Die Zivilgesellschaft bietet Zugänge dazu, und Freiwilligenagenturen orientieren und gestalten diese Wege. Einige Anregungen von Wiebicke dazu: 

  • Die Hürden nicht so hoch machen.
  • Lieber die Menschen in das Engagement reinrutschen lassen.
  • Sich klarmachen, was Klaus Dörner so ausdrückt: Menschen sind „helfensbedürftig“ – aber von diesem Satz das „Mutter Teresa-hafte“ abschütteln.

Eine Teilnehmerin teilte diese Sicht; anknüpfend an die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen, zitierte sie einen Bericht, der drei Gründe identifizierte, warum Menschen zu extremen politischen Positionen neigten, nämlich Einsamkeit, Desillusionierung und Langeweile. „Wir bieten ein Gegenprogramm dazu“, sagte sie.