Über (Un)Veinbarkeiten von bürgerschaftlichem Engagement und Freiwilligenmanagement
Warum über eine politikwissenschaftliche Dissertation sprechen, die schon vor sieben Jahren und nicht mal als Buch erschienen ist? Weil die Autorin, so fanden wir, ein Stück Aufklärung darüber bietet, was oft selbstverständlich oder unreflektiert hingenommen wird. Vorsicht, so warnt sie, im bürgerschaftlichen Engagement kann etwas verloren gehen, wenn ökonomische Konzepte hineindrängen und Freiwillige nur als Ressource wahrgenommen werden. Ihre Ergebnisse zu rekapitulieren und in aktuellen Entwicklungen zu spiegeln hat gelohnt, fanden viele der 40 Teilnehmenden, die am 31. Mai beim bagfa-Digitaltalk dabei waren. Dr. Christiane Metzner ist freiberuflich als Organisations- und Engagementberaterin in den Bereichen Sport, Kultur und Politik tätig und seit 2013 Studienleiterin für Ehrenamt im Amt für kirchliche Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Hier eine kleine Zusammenfassung ihrer Aussagen und des Feedbacks.
Zunächst, was war am Ende der 55 Minuten wichtig aus Sicht von Mitarbeiter:innen in Freiwilligenagenturen?
Aus dem Feedback der Teilnehmer:innen zitieren wir drei Stimmen. Eine Kollegin pflichtete der Referentin bei: Bürgerschaftliches Engagement benötige Raum, Idee und Begleitung! „Gemeinwesenarbeit ist die Zukunft“, schreibt sie. Eine andere fand wertvoll, wie Engagement als Lernfeld für die Freiwilligen ins Zentrum gerückt wurde; auch Freiwilligenagenturen sollten diesen Aspekt stärker in ihre Arbeit aufnehmen. Eine dritte fand eine mögliche Rolle für Freiwilligenagenturen: die als eine Art „Mitarbeitervertretung“ für Freiwillige, vor allem in Bezug auf Partizipationsentwicklung für Freiwillige in Eirichtungen.
Der Reihe nach: Was ist die Frage der Doktorarbeit von Christiane Metzner und was die Antwort?
Inwiefern ist Freiwilligenmanagement ein Instrument zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements in Non-Profit-Organisationen, wollte Christiane Metzner wissen, und fand am Ende unter anderem, Zitat aus der Dissertation: „Das gegenwärtig eingesetzte Freiwilligenmanagement behindert bürgerschaftliches Engagement eher als es zu fördern. Bürgerschaftliches Engagement benötigt ein anderes, noch zu entwickelndes Instrumentarium für den Umgang mit Engagierten.“
Wie kommt man auf dieses bedenkliche Ergebnis zum Freiwilligenmanagement?
Indem man zunächst herausarbeitet, für was bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligenmanagement steht. Für Christiane Metzner gehört zu Ersterem unbedingt Partizipation und die Kompetenzentwicklung der Freiwilligen dazu. Das Freiwilligenmanagement beinhaltet laut der einschlägigen Literatur, das Konzept des Personalmanagements zu übertragen, damit Freiwilligenarbeit durch Planung, Koordination, Auswertung etc. besser handhabbar wird und effizientere Ergebnisse liefert. Legt man beide Konzepte nebeneinander, zeigt sich: Vieles ist unvereinbar. Der Partizipationsgedanke kollidiert mit der ökonomischen Handlungslogik. Freiwillige werden zu rein ausführenden Akteuren – und nicht zu gestaltenden.
Warum aber ist das Konzept Freiwilligenmanagement weniger schädlich als gedacht?
Interviews mit Freiwilligenmanager:innen in unterschiedlichen Organisationen legen für die Autorin jedoch auch nahe: Freiwilligenmanagement wird in der Praxis nicht so radikal umgesetzt, wie die reine Lehre eigentlich vorsieht. Ein Beispiel ist das Service-Selbstverständnis. Engagementinteressierte werden nicht einfach abgewiesen, wenn sie nicht zu den erledigenden Jobs passen, sondern weitervermittelt, so dass sie anderswo einen Einstieg finden und nicht verloren gehen.
Wo stehen wir in Sachen Ökonomisierung von bürgerschaftlichem Engagement in der Praxis der letzten Jahre?
Das klassische Management-Konzept, wie es in der Literatur angelegt ist und sich in der Praxis der Freiwilligenarbeit auszubreiten begann, hat sich für Christiane Metzner weniger dominant entwickelt als von ihr damals befürchtet. Die Eigenheiten des Engagements setzten sich letztlich doch durch. Zwar sei der Partizipationsgedanke heute noch zu schwach, es gebe noch zu wenig Spielraum für die Selbsterprobung. Doch immerhin sei der Kompetenzgedanke präsenter geworden, und in der Praxis ergäben sich mehr Rollen, als in der reinen Managementlogik vorgesehen.
Was ist der Referentin am wichtigsten in Theorie wie in Praxis?
Die Freiwilligen sollten im Vordergrund stehen, nicht die Organisation oder die Arbeitsläufe etc. Auch ist eine lebendige Gemeinschaft von Freiwilligen wichtiger als ihre Leistung. Freiwilligenmanagement sollte sich entsprechend als Serviceleistung für Freiwillige verstehen, auch als Lernbegleitung, um die Kompetenzen zu fördern. Freiwilligenmanager:innen sollten entsprechend unabhängig genug sein, um dies zu ermöglichen.
Wie lautet der letzte Satz der Dissertation?
„Ja, es kann anstrengend sein, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Aber die Mühe lohnt sich!“
Was waren Christiane Metzners drei Wünsche an Freiwilligenagenturen?
Sie empfahl erstens Engagement als Lernfeld zu sehen und das bürgerschaftliche Lernen in den Vordergrund zu stellen, zweitens Partizipation und Beteiligung stärker in den Blick zu nehmen und drittens Engagement auch jenseits von etablierten Organisationen und Verbänden zu fördern, zum Beispiel auch in rein freiwilligen Initiativen.