Mit jeder Menge Motivation und ersten Ideen stellt die bagfa ihren Beitrag im Projekt „Schutz- und Präventionsnetzwerk für das Ehrenamt“ vor und startet die Zusammenarbeit mit Freiwilligenagenturen
Kaum ein Thema beschäftigt uns in diesem Jahr mehr: Unsere Demokratie. Besonders zum Start des Jahres wurde mit unzähligen Demonstrationen ein kraftvolles Zeichen für Demokratie und Zusammenhalt gesetzt. Und nicht nur das: Die Energie der Proteste nutzen viele zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch Freiwilligenagenturen, um Projekte, Aktionen und Engagement für Demokratie zu schaffen.
Doch nicht nur mit diesem Engagement erleben wir auch gezielt Angriffe, Anfeindungen und Bedrohung gegenüber Engagement und Freiwilligen. Oft herrscht dabei Verunsicherung: Wie reagiere ich etwa als Freiwilligenagentur, wenn einzelne Engagierte, Projekte oder die Agentur selbst bedroht sind oder Angriffe erleben? Wo besteht diese Herausforderung bereits und welche Ansätze existieren? Wie weit geht Prävention und wo muss Schutz beginnen?
Rund 35 Kolleg:innen aus Freiwilligenagenturen diskutierten diese Fragen beim digitalen bagfa-Arbeitsforum „Schutzraum Freiwilligenagenturen – geschütztes Engagement?“ am 4. Juli. Dabei stellte sich auch das Team rund um das Projekt „Schutz- und Präventionsnetzwerk für das Ehrenamt“ – kurz SPE – und dessen Ansätze vor. Moderiert wurde das Forum von Alexander Thamm, der das SPE-Vorhaben für die bagfa umsetzt.
In dem von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) geförderten Projekt sind neben der bagfa auch weitere Verbände vertreten, um Schutzkonzepte für Freiwillige und Orte des Engagements zu entwickeln. Die bagfa setzt das Vorhaben mit dem Centrum für Bürgerschaftliches Engagement e.V. (CBE) in Mülheim an der Ruhr, der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis e.V. sowie der LAGFA Brandenburg um.
Freiwilligenagenturen als Teil eines kompetenten Netzwerks: Das „Schutz- und Präventionsnetzwerk für das Ehrenamt“ stellt sich vor
Gemeinsam Expertise sammeln, Konzepte entwickeln und in verschiedenen Engagementfeldern voneinander lernen – so lässt sich das Projekt SPE zusammenfassen. Zum Start des Arbeitsforums gab Louisa Muehlenberg einen Einblick in die Struktur und Zielsetzung des Projekts. Sie ist seit April Projektleitung bei der DSEE und für das Netzwerk zuständig. Auch in ihrem bisherigen Weg war sie eng mit der Engagementförderung verbunden: Zunächst 6 Jahre bei der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern im Bereich Weiterbildung und Projekte war sie zuletzt im Programm “Engagiertes Land” als leitende Referentin beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) tätig.
Gleich fünf Dachverbände wirken laut Muehlenberg im Schutz- und Präventionsnetzwerk mit, neben der bagfa etwa der Deutsche Olympische Sportbund, der Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst e.V.), Queere Bildung e.V. und der Verband der Freiwilligen Feuerwehr in Rheinland-Pfalz. Es sei wichtig, Erfahrungen aus verschiedenen Engagementbereichen zu sammeln. Denn für Louisa Muehlenberg werde deutlich: Übergriffe und Anfeindungen betreffen nicht nur Engagierte im Bereich Flucht und Migration oder Mandatsträger:innen, sondern diese fänden auch in anderen Formen des Engagements statt.
Um diese Themenbreite und -Vielfalt im Projekt abzubilden, wurde auch die bagfa „mit ins Boot geholt“. Zwar seien die Themen Prävention und Schutz für die DSEE noch relativ neu, doch besonders im Superwahljahr zeige sich eine hohe Relevanz hier Expertise zu sammeln. Als eine Art Beirat richtete die DSEE außerdem ein „Soundingboard“ ein, berichtet Louisa Muehlenberg. 13 Vertreter:innen aus Zivilgesellschaft, Ministerien und Verwaltung begleiten hier die Arbeit der Projektpartner:innen und unterstützen mit ihrer Expertise, während sie gleichzeitig auch die gesammelten Erfahrungen in ihren Institutionen und Netzwerken teilen.
Weitere Informationen zum gesamten SPE-Projekt der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) sind hier zu finden.
Auch Stefanie Fichter, Co-Geschäftsführung der bagfa, hob die Bedeutung des Themas vor. Im ersten Halbjahr setzte die bagfa einen Schwerpunt zu Demokratie und dessen Förderung. Es habe viel Engagement und Aktivitäten von Freiwilligenagenturen in diesem Bereich gegeben. Hier solle nun weiter angesetzt werden: Was brauchen die Agenturen, um sich für Vielfalt einzusetzen? Welche Aktivitäten müssen geschützt werden und auf welche Art? Fichter freut sich gemeinsam mit Alexander Thamm und zwei Freiwilligenagenturen sowie einer Landesarbeitsgemeinschaft vor Ort Bedarfe zu erheben und Konzepte zu entwickeln.
Doch auch weitere Freiwilligenagenturen sollen ihre Erfahrungen teilen, so Stefanie Fichter. Bei der bagfa-Jahrestagung in Kassel fand beispielsweise bereits ein Workshop zum Thema Schutz im Engagement statt. Deutlich wurde hier, dass viele Agenturen sich für Demokratie und Zusammenhalt stark gemacht hätten. Gleichzeitig gebe es eine gefühlte Bedrohungslage und Angst vor Anfeindungen. Teilweise seien auch explizite Übergriffe zu beobachten. Außerdem teilte sie im Arbeitsforum weitere Befürchtungen der Agenturen, beispielsweise wenn die politischen Mehrheitsverhältnisse sich nach den Wahlen ändern.
Insgesamt zeigten sich sehr unterschiedliche Bedarfslagen. Dies hänge auch mit den Gegebenheiten vor Ort oder unterschiedlichen Trägerstrukturen der Agenturen zusammen. Stefanie Fichter sprach hierbei eine Einladung aus: Gemeinsam sollen im Projekt Erfahrungen und Wissen geteilt werden, um auch weiterhin stark zu bleiben und sich sicher zu fühlen. Hierfür werden zu den Themen Schutz und Prävention gängige bagfa-Formate angeboten: 55 Minuten mit Expert:innen, weitere Austauschformate, bagfa-Publikationen und frische Kontingente im Hospitationsprogramm. Und außerdem ein fortlaufendes Angebot: Alexander Thamm steht als Ansprechperson auch für Gespräche und Anfragen zur Verfügung (alexander.thamm@bagfa.de | 0177 8683869).
Die Erfahrungen vor Ort nutzen: Ein Gespräch mit den Kooperationspartner:innen im neuen bagfa-Projekt
Die bagfa, zwei Agenturen und eine Landesarbeitsgemeinschaft – das ist das Projektteam SPE im Feld der Freiwilligenagenturen. Zum Auftakt des Projekts, in dem über die beteiligten Dachverbände lokale Strukturen eingebunden sind, stellten sich daher die Kooperationsparter:innen der bagfa vor und teilten ihre bisherigen Eindrücke und Motivationen.
Für Christine Sattler, Leiterin der Freiwilligenagentur Halle -Saalkreis e.V. sei es wichtig, keien Angst zu machen, sondern Sensibilität zu schaffen: Situationen und Bedrohungslagen zu erkennen und einzuordnen, um passende Strategien zu entwickeln. Themen wie Hass im Netz, Anfeindungen bei Ständen oder Angriffe auf Mitarbeiter:innen müssten sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig stellte Sattler die Bedeutung von Austausch mit Organisationen vor Ort heraus: In Halle gebe es eine diffuse Bedrohungslage und auch konkrete Übergriffe, für die ein breites Netzwerk wie in Halle hilfreich ist . Es sei wertvoll, bereits im Vorfeld Konzepte und Strategien zu entwickeln – daher freue sie sich, aus dem Projekt Erfahrungen und Erkenntnisse für die eigene Arbeit mitzunehmen.
Nicole Marcus, ebenfalls von der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis e.V., schildert, dass einige Engagementfelder besonders in der „Schusslinie“ stünden, darunter Klima oder das Engagement für geflüchtete Meschen. Sie verdeutlicht, wie wichtig Schutzmaßnahmen für Freiwillige in diesen Bereichen sind. Diese seien einer besonderen Bedrohungslage ausgesetzt. Eine dritte Kolleg:in aus Halle, Karen Leonhardt, verdeutlicht, dass die Freiwilligenagenturen auch in der Engagementberatung und in Kooperationsprojekten bereits erste Erfahrungen und Bedarfe vor Ort sammeln konnte.
Bereits bei der letzten Bundestagswahl habe sich die politische Landschaft verändert und damit auch das politische Klima vor Ort – diese Erfahrung teilt Katharina Wehner, stellvertretende Leitung im Centrum für Bürgerschaftliches Engagement e.V. (CBE) in Mülheim an der Ruhr. Dies zeige sich etwa in der lokalen Partnerschaft für Demokratie. (https://www.cbe-mh.de/projekte/vielfalt/demokratie-leben/) Hier schildern die Kooperationspartner:innen, dass immer mehr Sicherheitspersonal und Awarenesskonzepte für die Veranstaltungen und Aktionen der Projekte notwendig sein. Gleichzeitig sieht sich das Centrum als Multiplikator:in, um die Erfahrungen, die im Schutz- und Präventionsnetzwerk gesammelt werden, auch in der lagfa NRW einzubringen. Michael Schüring, Geschäftsführer des CBE, unterstreicht dies: Man möchte eine Vorreiterrolle in Nordrhein-Westfalen einnehmen und die Erkenntnisse der bisherigen Zusammenarbeit, etwa mit der Mülheimer Antidiskriminierungsstelle, weitertragen.
Als landesweite Struktur bereichert die LAGFA Brandenburg das SPE-Projekt. Stefanie Lenz, Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft, teilte im Arbeitsforum die Bedrohungslage in Brandenburg: Viele Menschen hätten hier bereits konkrete Bedrohungen und Angriffe erlebt. Daher möchte sie auf Landesebene Netzwerke knüpfen, um die Arbeit vor Ort zu stärken.
Die Abhängigkeit von politischen Institutionen, etwa bei der Verteilung von Fördermitteln, sieht sie kritisch: Besonders nach den Landtagswahlen in Brandenburg müsse geschaut werden, wie diese Abhängigkeit, das Engagement für Demokratie und adäquate Schutzräume in Einklang gebracht werden könnten.
Schutz und Präventation – was heißt das vor Ort? Austausch in Kleingruppen
Nach dieser Vorstellungsrunde, die bereits viele Details und Motivationen der beteiligten Kolleg:innen aufzeigte, waren die Teilnehmenden gefragt. In einer Gruppenarbeit sollten Grundlagen geschaffen und Bedarfe vor Ort aufgezeigt werden. Dabei stand folgende Frage im Vordergrund des Austausches: Was heißen Schutz und Prävention für die eigene Arbeit vor Ort genau? Die Kolleg:innen hielten erste Ergebnisse auf einem Padlet fest. Ein Blick hierauf verrät: In einigen Kommunen und Regionen gibt es bereits eine sehr konkrete Bedrohungslage – aber auch die Relevanz für eine Sensibilisierung zu Übergriffen scheint für die Kolleg:innen gegeben zu sein. Besonders marginalisierte Gruppen und deren Unterstützer:innen, aber auch Begegnungsorte und Mitarbeitende der Agenturen werden als schutzbedürftig angesehen. Austausch, Kooperationen und konkrete Leitfäden für die Arbeit vor Ort sind mit Blick auf das Padlet wichtige Bedarfe.
Die Ergebnisse der ersten Kleingruppenarbeit sind hier als Download verfügbar.
Aktiv vor Ort – stark im Netzwerk: Was Freiwilligenagenturen bereits vor Ort umsetzen.
Bedarfe und Perspektiven auf das Thema Schutz und Prävention sind nur eine Dimension, die im neuen Projekt eine Rolle spielen sollen. Es geht auch darum, bestehende Aktivitäten, Konzepte und Projekte herauszustellen, von ihnen zu lernen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die zweite Gruppenarbeitsphase widmete sich daher der Frage, was die Freiwilligenagenturen zum Thema bereits umsetzen. Hierbei spielten auch die Erkenntnisse aus dem bereits erwähnten Workshop währen der bagfa-Jahrestagung eine Rolle. Im Austausch wurden etwa Projekte zur Stärkung der Nachbarschaft oder Awarenesskonzepte genannt.
Die Sammlung aus der zweiten Gruppenarbeit ist hier als Download verfügbar.