Wie kann freiwilliges Engagement (präventiv) geschützt werden? Und welche demokratische Haltung brauchen wir hierfür? Einblicke in unseren digitalen Thementag vom 13. November 2024
Politisch turbulente Zeiten: So lassen sich die vergangenen Wochen sicherlich zusammenfassen. Doch gerade in unwegsamen Zeiten ist Engagement wichtig: Denn es ist immer auch der Einsatz für andere Menschen, für Vielfalt, für ein gesellschaftliches Miteinander und letztlich für die Demokratie. Im Engagement erfahren Menschen notwendige Selbstwirksamkeit, um sich für gesellschaftliche Themen einzusetzen. Durch rechtsextreme und andere demokratiefeindliche Gruppen erfährt dieses Engagement zunehmend Widerstand, bis hin zum Angriff. Dies betrifft die Engagierten, aber auch die Orte des Engagements.
Daher setzt sich die bagfa e.V. im Jahr 2024 mit vier weiteren Dachverbänden mit Förderung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern und für Heimat mit dem Aufbau von Schutz- und Präventionsnetzwerken für das Engagement auseinander.
Gemeinsam mit 50 Teilnehmenden und Expert:innen aus der Praxis diskutierte die bagfa beim digitalen Thementag „Geschützt im Engagement – stark für Demokratie“ am 13. November Ergebnisse des Projekts und stellte konkrete Angebote der Unterstützung vor.
Damit fand das Projekt seinen vorläufigen Abschluss, welcher durch eine digitale Handreichung ergänzt wird. Beim Thementag wurde deutlich, wie wichtig Schutz- und Präventionskonzepte für das Engagement sind – auch wenn noch keine konkreten Übergriffe stattfanden: Denn eine gefühlte Bedrohungslage hat bereits große Konsequenzen für das Engagement vor Ort. Auch in fordernden Zeiten ist es daher wichtig, zusammenzuhalten und gemeinsam stark und resilient zu bleiben.
Zum Hintergrund:
Aktuell ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen bagfa e.V. mit dem Projekt „Schutzraum Freiwilligenagentur – geschütztes Engagement?“ Partnerin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) im Bundesprojekt „Schutz- und Präventionsnetzwerk für das Ehrenamt SPE“, gefördert durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat. Mehr Informationen sind hier zu finden oder hier direkt auf der bagfa-Website.
Zur Begrüßung dankte die Co-Geschäftsführerin der bagfa, Stefanie Fichter, zunächst den Förder:innen für die kurzfristige Möglichmachung dieses wichtigen Programms. Gemeinsam mit den Freiwilligenagenturen konnte die bagfa so eruieren, wo wir im Engagement bereits Bedrohungen wahrnehmen und wie wir diesen begegnen.
Eigentlich eine Reaktion auf betrübliche Entwicklungen, biete das Programm auch eine wichtige Chance, Resilienz aufzubauen und durch die Vorbereitung auf Ernstfälle weiterhin handlungsfähig und aktiv für das bürgerschaftliche Engagement zu bleiben.
Zusammen mit den Projektpartner:innen habe man im Laufe der zurückliegenden Monate herausgefunden, was Freiwilligenagenturen brauchen, um Orte zu sein und zu bleiben, die das Engagement für Demokratie und Vielfalt aktiv unterstützen. Diese ersten Erkenntnisse seien nicht abgeschlossen und dennoch bereits wertvoll sowie eine sichere Grundlage für die vielfältigen Situationen vor Ort. Wie man sich als Agentur oder engagementfördernde Infrastruktur sichtbar positioniert, ohne die eigene Sicherheit zu gefährden: Auch dazu liefere das Projekt nicht nur erste Antworten, sondern auch neue Fragen, die künftig weiterhin zu verfolgen seien.
Im Anschluss bedankte sich Stefanie Fichter bei der Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat, Frau Juliane Seifert, dass diese sich Zeit für ein persönliches Grußwort am Thementag genommen hatte. Sie dankte allen Beteiligten für ihr Engagement und die Mitarbeit an dem wichtigen Thema.
Vernetzt gemeinsam Schutz für Engagement bieten
Im Anschluss begrüßte die Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), Katarina Peranić, ebenfalls die Teilnehmenden und gab den Dank der Staatssekretärin direkt an die bagfa und die Freiwilligenagenturen weiter: Denn ohne deren flächendeckende Arbeit könne eine Bundesstiftung wie die DSEE nicht so viele Engagierte erreichen.
Peranić betonte noch einmal die Fakten, die dieses Projekt erst notwendig gemacht hätten: Sie schilderte Berichte über die zunehmende Bedrohung vom Engagement, von der immer mehr Gruppen und Organisationen betroffen seien. Und viele Menschen würden daher über ein Ende ihres Engagements nachdenken.
In den letzten Jahren habe sich die DSEE in zahlreichen Projekten schon mit Hass im Netz und Gegenmaßnahmen beschäftigt. Erweitert werde dies nun durch die Projektergebnisse des „Schutz- und Präventionsnetzwerk für das Ehrenamt” (SPE) Denn es sei notwendig, die Maßnahmen zu Schutz und Prävention auszubauen. Das hätte sich auch in den Wahlkämpfen zu den Landtagswahlen im Herbst 2024 gezeigt. So auch konkrete Zahlen, wie die des „beware“ Projekts der Hochschule Niederrhein, nach dem 14 % der Beteiligten überdenken, ihr Engagement für Demokratieprojekte zu beenden.
Die Ergebnisse des Projekts „Schutzraum Freiwilligenagentur“ der bagfa und ihrer drei Partneragenturen Halle, Mülheim und Lagfa Brandenburg böten zahlreiche konkrete Handlungsansätze, die die DSEE bekannter machen möchte.
Dafür ist es laut Katarina Peranić wichtig, weiter vernetzt und gemeinsam zu arbeiten. Dazu zähle auch, Erfahrungen aus dem digitalen für den ländlichen Raum weiterzudenken. Am Ende betonte die DSEE-Vorständin: Demokratie braucht Engagement, aber Engagement braucht auch Schutz. Das sind Maßnahmen, welche die DSEE auch in Zukunft noch gerne verstärken möchte.
Dialogrunde: Mit Schutz und Prävention für starkes Engagement vor Ort – Einblicke von den Projektpartner:innen
Entscheidend für das bagfa-Projekt „Schutzraum Freiwilligenagentur“ ist und war die Zusammenarbeit mit Partner:innen: Neben der Lagfa Brandenburg, arbeiten die Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. und das Centrum für Bürgerschaftliches Engagement e.V. (CBE) aus Mühlheim als Partneragenturen in dem Projekt mit. Gemeinsam mit der bagfa wurden in den vergangenen Monaten Bedarfe erhoben, Netzwerke für das Thema sensibilisiert und erste Bausteine für Schutz- und Präventionskonzepte entwickelt. In einer Dialogrunde berichteten die beteiligten Projektpartner:innen von ihren Eindrücken und Erkenntnissen aus dem Projekt.
Durch den antisemitischen und rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge und einen Imbiss im Oktober 2019 sei man in Halle bereits stark für das Thema Schutz und Prävention sensibilisiert, wie Christine Sattler Geschäftsführerin der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis e.V. berichtet. Auch gebe es mit Bündnissen wie „Halle gegen Rechts“ oder die „Hallianz für Vielfalt“ bereits eine starke Vernetzung in der Stadt. Trotzdem schien der Zeitpunkt für das Projekt „günstig“: Wie sich an den diesjährigen Wahlen zeigte, werden gesellschaftliche Veränderungen bemerkbar. Daher nutzte die Freiwilligen-Agentur laut Christine Sattler die vergangenen Monate, um mit lokalen Partner:innen und Beratungsstellen zu schauen, welche Bedarfe und Fragestellungen zum Thema Schutz aufkommen. Aber auch in der eigenen Freiwilligen-Agentur spielten spezifische Schutz- und Präventionselemente eine Rolle: Etwa in Beratungssituationen oder der Veranstaltungsorganisation. Daher ist es für die Agentur wertvoll, eigene Materialien ein Schutzkonzept zu erarbeiten. Auch um zukünftig handlungssicher zu bleiben – ohne dabei eine „Erwartungsangst“ zu schüren.
In den Netzwerken vor Ort für das Schutzthema sensibilisieren, ohne dabei Ängste zu schüren: Das war auch für die Kolleg:innen des Centrum für Bürgerschaftliches Engagement e.V. (CBE) in Mülheim an der Ruhr eine Herausforderung. Wie Katharina Wehner schildert, waren durch die „Partnerschaft für Demokratie“ bereits relevante Netzwerke geknüpft. Das Projekt wird durch die Freiwilligenagentur umgesetzt. Die Resonanz zum Thema Schutz und Prävention sei zunächst verhalten gewesen – obwohl an einigen Stellen eine Bedrohungs- und Bedarfslage deutlich wurde. Wie Wehner schildert, möchte das CBE Sicherheitsaspekte in die Engagementlandschaft vor Ort einbringen, ohne aber Freiwillige und engagementinteressierte Menschen zu verängstigen. Insgesamt sieht das CBE trotz Abschluss des Projekts, weiterhin einen laufenden Prozess , Aspekte von Schutz- und Prävention in die eigenen (Netzwerk-)Arbeit zu integrieren.
Als Landesarbeitsgemeinschaft versammelte die Lagfa Brandenburg zahlreiche Freiwilligenagenturen des Bundeslandes im Projekt. Stefanie Lenz, Geschäftsführerin der Lagfa Brandenburg stellte die Wichtigkeit von Schutzkonzepten heraus: Auch durch das Projekt sei deutlich geworden, wie angreifbar Freiwilligenagenturen derzeit sind – in Brandenburg sei klar eine Bedarfslage für Schutzkonzepte gegeben. Für die Arbeit im Projekt war eine gemeinsame Klausur der Agenturen prägend. Hier wurden Forderungen und Elemente zum Schutz des Engagements erarbeitet.
Lenz zeigte außerdem ein strukturelles Problem auf: Viele der Brandenburger Agenturen besitzen meist nur eine Personalstelle. Es bleibe offen, wie eine Freiwilligenagentur mit diesen knappen Ressourcen auch einen Schutzraum darstellen könne. Hier sehe Lenz eine Hürde in der Umsetzung von Schutzvorhaben, doch sie stellte auch heraus: Freiwilligenagentur seien sehr gut darin pragmatische Lösungen zu suchen und zu finden. Mit Blick auf das Projektende plädierte die Geschäftsführerin für weiterführende Angebote, etwa ein Projekttag zum Thema, und personelle Ressourcen, um die Erkenntnisse der zurückliegenden Arbeit bestmöglich zu nutzen.
Nach der Talkrunde stand Austausch auf dem Programm: In Kleingruppen konnten die Teilnehmenden ihre Fragen an die Projektpartner:innen stellen und eigene Gedanken und Erfahrungen einbringen. Die Ergebnisse und Anregungen wurden auf einem gemeinsamen Pad festgehalten und fließen in die Handreichung zum Projekt ein.
Panel: Lokale Netzwerke für Schutz und Prävention aufbauen
Personenschutz für ehrenamtliche Kommunalpolitiker:innen demnächst auch in kleinen Gemeinden? Das kann niemand wollen, lebt doch Kommunalpolitik besonders von der Nähe zu den Bürger:innen. Umso besorgniserregender ist der Trend, den Kirsten Eberspach vom Bundeskriminalamt beim Thementag beleuchtet: Mit über 6.000 gemeldeten Straftaten gegenüber Amts- und Mandatsträger*innen erreichte das Jahr 2023 ein trauriges Allzeithoch. Eine politische Folge davon ist laut Eberspach: Es mangelt im kommunalen Bereich weiterhin an Nachwuchskräften – was extremistische Kräfte ausnutzen könnten. Um auch das Dunkelfeld aufzuhellen, führt die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus des BKA in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden halbjährliche Befragungen von Kommunalpolitiker:innen zu deren Erfahrungen und Umgang mit Hass und Hetze im Amtsalltag durch (Kommunales Monitoring – mehr Infos dazu hier).
Für Dr. Cathleen Bochmann von Aktion Zivilcourage sind neben polizeilichen Maßnahmen auch Bildungsformate zentrale Elemente von Schutzkonzepten. Doch am meisten erreiche man, wenn man sektorenübergreifend zusammenarbeitet. Deshalb bringt die Aktion Zivilcourage Akteure aus der Zivilgesellschaft mit staatlichen Stellen zusammen: Freiwillige aus Vereinen treffen auf Beamt:innen aus Verwaltung und Polizei sowie auf Bürgermeister:innen. Gemeinsam ließe sich ein Lagebild erstellen, eine umfassendere Sensibilisierung erreichen und Handlungen besser koordinieren. Wenn es schlechte Erfahrungen miteinander oder Vorurteile gab, würden sich die Runden auch dazu eignen, eine Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Außerdem sei es aus Sicht der Aktion Zivilcourage wichtig für ein Schutzkonzept, in einem Praxisleitfaden zu klären, wie Betroffene soziale Unterstützung erfahren., damit angegriffene Menschen nicht traumatisiert werden. Dabei ginge es weniger um die Tat als vielmehr darum, Gehör zu finden und so Rückhalt zu erleben.
Die Partnerschaft für Demokratie „Hallianz für Vielfalt“ in Halle (Saale), von der Karen Leonhardt berichtete, ist ein Netzwerk, das Demokratie fördert, Vielfalt gestaltet und Extremismusprävention umsetzt. In der sachsen-anhaltinischen Stadt gab es nicht nur den rechtsextremistischen Anschlag am 9. Oktober 2019, sondern auch andere, wenn auch kleiner, Bedrohungslagen und Angriffe. Ein eigenes Schutzkonzept wird dort nun zunächst im Rahmen der Arbeit der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. entwickelt. Durch ihre Arbeit zur Demokratieförderung und Unterstützung von Geflüchteten ist die Freiwilligen-Agentur schon längere Zeit im Fokus verschiedener Akteure, die diese Arbeit delegitimieren möchten.
Im kommenden Jahr wird es anschließend darum gehen, andere Organisationen einzubinden und ein kommunales Schutzkonzept zu entwickeln. Während es bei manchen zivilgesellschaftlichen Akteuren eher um den Umgang mit Verschwörungserzählungen und Diskriminierung gehe, müssten andere auf konkrete Bedrohungslagen reagieren. In Halle (Saale) sei so etwa zu erleben, dass Organisationen der Demokratieförderung politisch hinterfragt werden, und zum Teil Diffamierungen erleben. Freiwillige und Mitarbeitende kämen sehr viel häufiger in die Situation, sich für ihre Demokratiearbeit rechtfertigen zu müssen.
Nicht zuletzt muss man auch diskriminierungsbetroffenen Menschen Schutz bieten, die in Projekten zwar nicht als Engagierte, sondern als Teilnehmende oder Nutzer:innen eingebunden sind. Auch hier ist es wichtig einen sicheren Raum zu schaffen, damit diese Gruppen nicht verunsichert und verdrängt werden.
Haltung zeigen in politisch fordernden Zeiten – Impulse von Expert:innen
Haltung: Es hatte zum Ziel, konkrete Empfehlungen und Erfahrungen zur Wahrung der eigenen demokratischen Haltung als Organisation und als Einzelperson aufzuzeigen. Expert:innen beleuchteten die Lage der Zivilgesellschaft in Österreich und Sachsen nach den Wahlen. Sie bestärkten die Teilnehmenden auch im beruflichen und privaten Umfeld Resilienz aufzubauen und zu wahren. Und, gemeinsam blickten wir auf die Zahlen die zeigen, wo und in welchem Maße Zivilgesellschaft gefährdet ist.
Dazu waren eingeladen die Analystin Natascha Strobl aus Österreich, der Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Dr. Roland Löffler, Prof. Dr. Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein und die Positionierungs- und Kommunikationsberaterin Franzi von Kempis.
Franzi von Kempis konnte basierend auf ihrer langjährigen Erfahrung als Kommunikationsberaterin, als Leiterin eines Impfzentrums in Berlin und als selbst Engagierte Tipps für den Umgang mit schwierigen Dialogsituationen geben. Mehr denn je gelte es zu schauen, was man im eigenen Wirkungsrahmen bewirken kann. Welche Themen hat man? Wo muss man diese anbringen? Was kann man gemeinsam einbringen? Dazu müsse man als Mitarbeiter:in oder als Engagierte einer Freiwilligenagentur zunächst einmal schauen: Wo kann und wo will ich mich einbringen? Wie organisiere ich mich als Team und wie sorge ich für mein Team? Dies sei auch abhängig von der eigenen Position und für wen ich in Verantwortung stehe. Im Beruflichen, aber besonders im privaten Bereich gelte, sich nicht selbst zu gefährden. Und hierfür könne man kann sich wappnen: „Grace mit einem selbst, sei lieb mit Dir selbst“, so die Kommunikationsberaterin. Dies könne und sollte man immer wieder üben. Dazu gehöre auch privat und beruflich klare Grenzen zu ziehen.
Natascha Strobl gab Einblicke zur Situation in Österreich, wo die FPÖ bei der letzten Bundeswahl als stärkste Partei mit knapp unter 30% hervorgegangen ist. Selbst Frauen hätten bei dieser Wahl extrem rechte Parteien gewählt – eine Entwicklung, die man auch in den USA beobachten könne. Dies spricht laut Strobl für eine gesellschaftliche Veränderung. Wenn man die Fehler aus dieser Wahl wiederhole, könnte die FPÖ bei den nächsten Wahlen deutlich stärker abschneiden. Daher plädiert die Publizistin für neue Strategien: Das spielen mit Ängsten und ein moralischer Zeigefinger gegenüber FPÖ-Wähler:innen hätte jedenfalls nicht gewirkt.
Dr. Roland Löffler, SLpB, berichtete von der Lage Sachsen. Wie in Österreich schnitten rechtsextreme und populistische Parteien hier stark ab. Er betonte, dass dies ein europäischer Trend sei. Rechtspopulistische und -extreme Parteien liegen bei vielen Wahlen zwischen 30 bis 35%, sei es Frankreich, Schweiz oder die Niederlande. Insofern sei nicht Ostdeutschland, sondern Westdeutschland eigentlich der Ausnahmefall in Europa. Als Einrichtung der politischen Bildung habe man die Wahl mit Wahlforen begleitet, bei denen sich die Kandidierenden vorstellten und in den Dialog mit der Zivilgesellschaft eintraten.
Im Blick auf die angespannte öffentliche Debattensituation legte der Leiter der Landeszentrale den Teilnehmenden nahe, sich über die eigene Rolle als öffentliche Person klar zu werden, sich entsprechend vorzubereiten, um diese auch steuern zu können. Es sei wichtig, sich – auch im Zusammenspiel mit den Gremien – klarzumachen, wie weit man in die Öffentlichkeit gehen wolle und müsse. Drohe die Lage zu eskalieren, sei die Entwicklung eines Sicherheitskonzeptes, der Kontakt zur Polizei, der kommunalen Verwaltung und zu Beratungsstellen wichtig – sowie die Schulung von Mitarbeitenden. Löffler plädierte auch dafür, sich stärker mit den eigenen Werten und Themen in der Mitte der Gesellschaft zu beschäftigen, als sich von Populist:innen und ihren Themen treiben zu lassen.
Zahlen und Einblicke in die (gefühlte) Bedrohungslage und die allgemeine gesellschaftliche Stimmung, das bietet Prof. Beate Küpper mit ihrem Team am Forschungsinstitut SO.CON Social Concepts an der Hochschule Niederrhein. Neben der Mitte-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, durchgeführt unter Leitung der Universität Bielefeld – hier ist sie als Co-Herausgeberin beteiligt –, die Zahlen zur gesellschaftlichen Stimmung erhebt, ist dies aktuell vor allem das vom BMBF geförderte Projekt „BEWARE – Bedrohte Demokratieprojekte wappnen und resilient machen“. Der Ergebnisbericht erschien im September 2024. Die Studie habe etwa gezeigt, dass 79 % derjenigen, die sich zivilgesellschaftlich für die Demokratie engagieren, bereits Bedrohungen der einen oder anderen Art erleben mussten.
Die tatsächlichen Drohungen, Anfeindungen und Übergriffe seien nur eine Seite der Medaille. Prof. Küpper führte aus, dass das Gefühl einer Bedrohung stark mit Solidarität, Sensibilisierung und Rückendeckung vor Ort zusammenhänge. Daher lohne es sich, lokale Netzwerke aufzubauen.
Außerdem schilderte sie, dass Bedrohung meist vor der eigentlichen und möglichen Straftat stattfindeten. Es sei also ratsam, präventiv über mögliche Bedrohungen zu sprechen, aber ohne Angst zu schüren. Dazu gehören auch die Androhung die Förderung oder den Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren, die lähmen könne. Denn genau dies sei die erwünschte Wirkung der Agressor:innen.
Zum Abschluss des Gesprächs wurden die Expert:innen nach ihren persönlichen Strategien befragt. Folgende Empfehlungen lassen sich zusammenfassen:
- Jede:r sollte dort wirken, wo man selbst etwas bewegen kann.
- Das Handeln jeder einzelnen Person zählt – und es gibt viele Beispiele für gute Taten.
- Man darf sich eine Pause erlauben und sich zurückziehen. Achten sollte man hier auf eine gute Gemeinschaft für das Engagement.
- Immer wieder überprüfenn, was man selbst wirklich kann und Überforderung vermeiden.
- Social Media sollte immer überlegt und gezielt eingesetzt werden. Beratung ist wichtig – überlegtes Handeln auch.
- Jede Organisation sollte sich einer möglichen Unterwanderung und schwelenden Ressentiments bewusst sein.
- Mit wachem Blick für die eigenen Themen stehen und sich nicht zurückziehen.
- Neue Netzwerke und Kooperationen finden: Auch mit Politik, Verwaltung und Unternehmen. So lasse sich Demokratie gemeinsam produktiv gestalten!
Coaching Sessions für die Praxis vor Ort
Der Thementag hat gezeigt: Schutz- und Präventionskonzepte, starke Bündnisse und die richtige Haltung sind wichtige Bausteine für ein resilientes und demokratieförderndes Engagement – von Freiwilligen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und den Agenturen selbst. Mit diesen inspirierenden und bestärkenden Impulsen widmete sich der Thementag anschließend praktischen Fragen zu Schutz- und Prävention.
In sechs Coaching Session mit Expert:innen aus der Praxis hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit ihr Wissen zu vertiefen . Hierbei standen unterschiedliche Arbeitsbereiche und Schwerpunkte für die Arbeit vor Ort im Vordergrund. Folgende Sessions standen zur Auswahl und sind hier mit weiteren Informationen und Materialien zu finden: