Eine Fläche von 171 Quadratkilometern, westlich von Magdeburg und von der A2 in der Mitte geteilt – das ist die Gemeinde „Hohe Börde“ in Sachsen-Anhalt. Doch hier gibt es nicht nur, laut eigener Aussage, die „besten Ackerböden Deutschlands“, sondern auch das noch junge Freiwilligenbüro „aktive hohe börde“. Wir waren neugierig, die Engagementlandschaft der Gemeinde kennenzulernen – und fuhren kurzerhand im Rahmen unserer Jubiläumstour am 20. November 2024 in die Hohe Börde. Bei dem Besuch, inklusive Abstecher in die Beratungsstelle und das Rathaus, wurde schnell deutlich: Tatkräftig und mit viel Kreativität ist es dem Freiwilligenbüro in kurzer Zeit gelungen, sich als feste Größe für Engagement in der Kommune zu etablieren.
Aus Irxleben in die Hohe Börde hinaus
Eher eine Spritztour durch die Gemeinde bei nass-kaltem Wetter als ein klassischer Besuch: So lässt sich der Abstecher zusammenfassen. Nachdem Niklas Neumann und Lisa Schulz die Beratungsräumlichkeiten des Freiwilligenbüros in Irxleben zeigten, ging es direkt mit dem Auto in eine Einsatzstelle – dazu später mehr – und dann ins Rathaus, wo sich die Büroräume befinden.
Die Freiwilligenagentur ist nämlich fest in die Strukturen der Gemeinde eingebunden. Neumann ist als Koordinator des Freiwilligenbüros bei der Trägerstiftung „Leben in der Hohen Börde“ angestellt, Schulz hingegen als Kommunale Engagementberaterin im Rathaus. Hinzu kommt Ratshaussprecher Maik Schulz als Engagementbeauftragter der Hohen Börde. Das Freiwilligenbüro profitiert von der Anbindung ans Rathaus, mit Ressourcen und Wertschätzung durch Politik und Verwaltung. Hier ergeben sich Synergien, die eine wirksame Arbeit in der Engagementförderung ermöglichen. Und das funktioniert sehr gut: Eine Handvoll Freiwillige, die regelmäßig in der Agentur tätig sind, eine große Palette an Projekten und ein gut gefüllter Instagram-Kanal spricht für die Arbeit vor Ort.
Die Herausforderungen des ländlichen Raums mit Kreativität begegnen
Das Freiwilligenbüro hat ein klares Ziel: Sie wollen das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Hohen Börde stärken. Eine Gemeinde, die formal erst seit zwölf Jahren besteht. Im ländlichen Raum zeigen sich aber auch immer wieder Herausforderungen. Die lokalen Vereine zu erreichen sei nicht immer einfach. Doch hier nutzt die Freiwilligenagentur kreative Ideen.
Mit einer Fahrrad-Sternfahrt, mit dem Namen „Tour de Börde“, werden Bürger:innen eingeladen die Gemeinde kennenzulernen. Jährlich mit einem anderen Schlussort. Hier wird dann mit den lokalen Vereinen etwa ein großes Fest organisiert, um die Strukturen in den Orten besser kennenzulernen. Das Format komme gut an: Jährlich steigen die Teilnehmendenzahlen.
Lisa Schulz und Niklas Neumann berichten, dass die soziale Infrastruktur in der Börde nicht so stark ausgeprägt sei. Es gebe wenige soziale Träger oder Wohlfahrtsverbände und dadurch auch wenige klassische Einsatzstellen für Freiwillige. Daher ist auch eine Aufgabe des Freiwilligenbüros, die Ideen von Menschen zu unterstützen: Mit den vorhandenen Strukturen, Räumen und Netzwerken. Denn die Kolleg:innen schildern, dass in der Hohen Börde neben den „klassischen“ Ehrenamtsstrukturen in Vereinen, vor allem die Eigeninitiative von tatkräftigen Einzelpersonen ausprägt ist. Wie motiviert die Engagierten der Freiwilligenagentur sind, wird schnell an der Fülle der Projekte deutlich: Da gibt es einen Töpferkurs, eine AG „Digitales Dorf“ oder die sogenannten „Buchzellen“, umfunktionierte Telefonzellen an drei Standorten, in denen Bücher getauscht werden können. Eine dieser Zellen steht sogar im Rathaus der Gemeinde.
Zu Gast im Repaircafé
Für ein weiteres Beispiel setzten wir uns ins Auto und fuhren von Irxleben nach Hermsdorf: Hier machten wir einen Abstecher ins Repaircafé in dem uns drei Freiwillige während ihrer Reparaturarbeiten begrüßten. Das Café besteht zwar erst seit Mai dieses Jahres, trotzdem hat sich das Reparaturangebot bereits in der Hohen Börde rumgesprochen.
Die Regale sind voll von Plattenspielern, Toastern oder Fernseher, die entweder bereits repariert sind oder noch darauf warten. Ein fester Kreis aus sechs Freiwilligen setzt damit in den Räumlichkeiten eines alten Jugendclubs ein Zeichen für Nachhaltigkeit. Ein Modell, das sich bewährt, denn das Beispiel zeigt ein Credo des Freiwilligenbüros: Nicht nur die Vermittlung in ein Engagement spielt eine Rolle, es wird sich auch aktiv um Freiwillige und ihre Ideen, Erfahrungen und Kreativität gekümmert.
Gründung des Freiwilligenbüros als Meilenstein
Auch wenn sich die „aktive hohe börde“ als Freiwilligenagentur erst 2019 gründete: Die Bemühungen, das Thema bürgerschaftliches Engagement in der Gemeinde zu etablieren, fingen schon 2014 an, wie uns Maik Schulz im Rathaus erzählte. Er ist der Engagementbeauftragte der Gemeinde. Die damalige Bürgermeisterin gründete vor knapp 10 Jahren die Stiftung „Leben in der Hohen Börde“ – gemeinsam mit 78 weiteren Stifter:innen aus der Wirtschaft und Bürger:innenschaft. Damit wurde eine Institution geschaffen, die Engagement fördern kann – unabhängig von sich wechselnden politischen Mehrheitsverhältnissen und der Haushaltslage. Schon seit 2015 ist die Hohe Börde eine „Engagierte Stadt“ und wird in dem Programm mit Ressourcen und Know-How unterstützt. Das Netzwerk, aber auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in Sachsen-Anhalt, waren wichtige Impulsgeberinnen für die Stiftung. Hier gab es viel Austausch und Wissenstransfer – die Idee einer vollwertigen Freiwilligenagentur nahm langsam Gestalt an.
2019 war es dann so weit: Das Freiwilligenbüro gründete sich. Maik Schulz betont, dass es in dem Prozess wichtig gewesen sei, keine Doppelstrukturen zu schaffen. Gemeinsam mit den Bürger:innen und Engagierten vor Ort wurden etwa „Erzählwerkstätten“ veranstaltet, um sich ein Bild über die Bedarfslage vor Ort zu machen.
Die kleine Tour durch die Hohe Börde hat einen guten Eindruck von der Engagementförderung im ländlichen Raum gegeben. Die noch junge Freiwilligenagentur hat seit 2019 einiges in Bewegung gesetzt und dem freiwilligen Engagement einen festen Ort gegeben. Wir bedanken uns für die Gastfreundschaft und hoffen auf viele weitere Geschichten aus der Börde.
Das Freiwilligenbüro “aktive hohe börde” im Überblick:
- Gründungsjahr: 2019
- bagfa-Mitglied seit: 2023
- Das bedeutet Engagement für euch:
Selbstwirksamkeit und Mitbestimmung - Das zeichnet eure Freiwilligenagentur aus:
Ländlich, liebenswert, offen für Neues - In dieses Engagementfeld vermittelt ihr besonders:
Kreatives und Nachhaltigkeit - Auf welches eurer Projekte seid ihr besonders stolz:
Das Repaircafé - Eurer einprägsamster Lernmoment:
Gesicht für die Sache zeigen; Ideen unterstützen, statt selber umsetzten - Eure (Glück-)Wünsche für die bagfa:
Auf 25 weitere erfolgreiche Jahre, viel Kraft und Resilienz und vor allem Spaß an der Arbeit!